Von der Libyschen Sandsee zur Arabischen Wüste


Erkundungsfahrt durch Ägypten und den Nord-Sudan

© Reinhart Mazur, 2003-2008


Das abendliche Auslaufen der Espresso Egitto entlang des Canale Grande Venedigs, flankiert durch romantisch beleuchtete Häuserfronten, die atemberaubende Passage durch den Kanal von Korinth und der Besuch einer Taverne in der Athener Plaka sind schon fast vergessen, als wir nach 4 Tagen früh am Morgen endlich in Alexandria anlegen. Es dauert kaum fünf Stunden und schon sind alle Formalitäten erledigt! Da wir eine lange Reise in den Sudan vor uns haben, machen wir uns sofort auf den Weg nach Kairo.

Die 'Desert Road' von Alexandria endet in Gizeh, also bleiben wir gleich da und lassen uns von den mächtigen Pyramiden beeindrucken. Nicht allzu weit entfernt von der Chefren-Pyramide finden wir einen schönen Übernachtungsplatz. Dummerweise haben wir nicht mit den dichten Mückenschwärmen gerechnet, die vom Wind aus den Niederungen des Niltales bis hier herauf geweht werden. Es wird eine sehr unruhige Nacht!

Nach einem Besuch des historischen Mena House Hotels können wir gleich gegenüber bei einer kleinen Polizeistation unserer Registrierungspflicht nachkommen. Was nun noch fehlt, ist Diesel. Am Beginn der Straße nach Bahariya finden wir eine große Tankstelle. Wir reihen alle unsere 18 Kanister auf, warten geduldig, bis wir bedient werden, haben ein waches Auge auf die vielen neugierigen Menschen rund um uns herum und wundern uns dann doch gehörig, daß wir nur 17 volle Kanister einladen können...



Am Rande der libyschen Sandsee

Jetzt geht es nach Süden: die 'Oasenstraße' wird uns nach Kharga führen. Wir haben nun Begleiter, Karl aus Graz und Wolfgang aus Wetzikon, die in 6 Wochen einen Puch Geländewagen nach Südafrika überführen wollen. Beide sind sehr erfahrene Afrikafahrer und das werden sie auf dieser Tour ein weiteres Mal unter Beweis stellen.

Die Asphaltstraße ist in recht üblem Zustand. Immer wieder werden wir durch Tonnenmänner aufgehalten, die unsere Personalien notieren, auf der Handfläche! In Farafra bekommen wir dann eine Fahrgenehmigung ('Tesserija'), nach der wir im weiteren Verlauf der Fahrt immer wieder gefragt werden. Natürlich sind wir begeistert von den weißen Kreidefelsen inmitten der rötlich-braunen Sandfelder der 'Weißen Wüste'; der Blick von der Anhöhe kurz vor Bir Abu Minqar hinunter nach Süden auf die endlose Weite der östlichen Ausläufer des Dünenmeers der Libyschen Sandsee ist zweifellos noch eine Steigerung!

Regelmäßig werden wir mit riesigen Schildern am Straßenrand konfrontiert, die jedermann sehr deutlich vor Augen führen, daß es Ausländern verboten ist, die Straße nach Süden (in Richtung Gilf Kebir) zu verlassen!

In Kharga wird ein letztes Mal vollgetankt und Wasser gefaßt. Die nächste Gelegenheit ist mit viel Glück vielleicht nach 800 Kilometern in Dongola, im Sudan. Mit unseren Vorräten müßten wir aber zur Not Khartum erreichen können. Ob es aber da Diesel gibt, steht in den Sternen. Wir hörten von Reisenden, daß es im Sudan extreme Versorgungsengpässe gäbe.

Ohne die touristischen Sehenswürdigkeiten Khargas eines Blickes zu würdigen, geht es nunmehr nach Süden, die Wüste lockt. Es wird sehr bald klar, daß wir uns jetzt durch militärisch kontrolliertes Gebiet bewegen. Ein Kontrollposten nach dem anderen wird passiert. In El Maks halten wir vor einer Barriere an einem größeren Stützpunkt. Die freundlichen Militärs servieren Tee und wollen wissen, was wir hier zu suchen hätten. Unserem Statement, wir würden nach Abu Simbel fahren und weiter nach Assuan, wird Glauben geschenkt und so dürfen wir unsere Fahrt fortsetzen. Glück gehabt, sonst wäre unsere Tour geplatzt.



Selima Oase

Die schmale Teerstraße hört bald auf und wir haben endlich wieder Sand unter den Reifen. Das nächste Etappenziel ist die sagenumwobene Oase Selima. Auf dem Weg dorthin fahren wir häufig entlang hunderter paralleler, ausgetretener Kamelpfade, die gesäumt sind von gebleichten Knochen. Dies ist die Darb el Arba'in, die Straße der 40 Tage, über die vom Darfur aus bis ins 20. Jahrhundert hinein tausende von Menschen auf die Sklavenmärkte des Nordens geschafft wurden.


Darb el Arba'in
Darb el Arba'in


Offensichtlich stimmt die Koppel-Navigation nicht, denn danach müßten wir schon längst Selima erreicht haben. Weit und breit ist von der Palmenoase jedoch nichts zu sehen! Wolfgang und Karl werden nervös, bleiben uns als Begleitfahrzeug letzten Endes doch erhalten. Nur noch wenige Kilometer und völlig unerwartet erkennen wir am Fuße eines Berges eine Senke, in die viele alte Autospuren hineinführen. Das macht uns neugierig und tatsächlich, erst 200 Meter vor den ersten Palmen ist die Oase zu erkennen! Der Senkenrand besteht aus ziemlich weichem Sandboden und um einer unguten (und eigentlich unnötigen) Schrägfahrt zu entgehen, steuere ich den Toyota in Fall-Linie direkt nach unten in eine tiefe Mulde. Es kostet eine Menge Arbeit und Schweiß, bis das Auto wieder auf sicherem Grund steht.


Einfahrt nach Selima
Am weichen Rand der Oasensenke von Selima


Da unsere Freunde nicht viel Zeit haben, verzichten wir auf einen Ruhetag im idyllischen Selima. Trotzdem schauen wir uns ausgiebig um, suchen das Wasserloch im dichten Schilf und gönnen uns eine gründliche Wäsche, die erste nach einer Woche. Die ägyptischen Nummernschilder werden abmontiert und für die Rückfahrt gut verstaut.


Selima
Selima Oase



Querung zum Nil

Der Nil ist unser nächstes Etappenziel. Die folgende Fahrt führt durch herrliches, weites Gelände zum Jebel Arbagi, der schon von weitem sichtbar ist. Von da steuern wir den Djebel Hamid an, der bereits auf der östlichen Nilseite liegt. Einige sehr steinige Passagen auf den letzten Kilometern zum Nil lassen die Freunde revoltieren. Trotzdem geht es weiter und bald ist das palmenbestandene Nilufer, ganz unwirklich in dieser Wüste, deutlich zu erkennen. Wir sind happy!


kurz vor dem Nil
Steinige Barriere vor dem Nil


Über eine sehr staubige Piste geht es nun Richtung Dongola. Unterwegs passieren wir bunte Niloten-Dörfer mit freundlich winkenden Menschen. Ab und zu kommen uns Kamelherden entgegen, denen noch ein langer Weg bis in die Schlachthäuser Kairos bevorsteht.


Piste entlang des Nils
Staubige Piste nach Dongola entlang des Nils



Dongola

105 Kilometer nach unserer Ankunft am Nil finden wir uns im Hof der Polizei in Dongola wieder. Heute ist aber Feiertag und alle Arbeit ruht, bei den Behörden. So bleibt uns genügend Zeit, das schöne Nilstädtchen zu erkunden. Wir werden Zeuge eines Vorfalls am Obstmarkt, bei dem ein wütender Polizist einem Fotografen einer französischen Reisegruppe handgreiflich die Kamera entreißt und das, obwohl dieser eine schriftliche Fotografiererlaubnis des Innenministeriums in Khartum vorweisen kann.

Früh am nächsten Morgen geht es nach einer Nacht am Rande der Wüste wieder zur Polizei. Die Formalitäten sind schnell erledigt und man wechselt uns dort USD. Auch das Tankproblem wird zufriedenstellend gelöst, wir können ein Faß Diesel bei der Kooperative kaufen. Was Wolfgang und Karl inzwischen machen und wo sie hingebracht wurden, wissen wir nicht. Uns ist nur bekannt, daß sie den Sudan durchqueren wollen, ohne ein sudanesisches Visum im Paß zu haben. Das verspricht eine Menge ernster Probleme

Am Markt kaufen wir noch kiloweise saftige rosa Pampelmusen, warten dann bis 13 Uhr auf die Reisekameraden, die jedoch verschwunden bleiben. Wir beschließen also, alleine weiterzufahren. Eigentlich wollten wir hier ans andere Ufer übersetzen, aber der Andrang an der Fähre war einfach zu chaotisch. So nehmen wir die westliche Uferpiste den Nil hinauf bis Abu Dom und fahren weiter nach Nord-Osten, wo wir bei Nuri mit der Fähre nach Karima übersetzen wollen. Dort geht es sehr beschaulich zu und nach kurzem Warten stehen wir auch schon an den gruselig-spitzen Kleinpyramiden am Jebel Barkal.


Nilfähre bei Nuri
Sudanesen warten auf die Fähre bei Nuri


Pyramiden am Jb. Barkal
Pyramidenfeld nahe des Jebel Barkal


Wieder zurück am anderen Nilufer, möchten wir von Merowe aus nach Atbara. Trotz mehrfacher Auskünfte hilfreicher Einheimischer gelingt es uns nicht, die richtige Piste zu finden. Die vermeintlich richtige Piste nach Atbara, sehr breit und stark befahren an ihrem Anfang, endet nach 45 Kilometern in zwei alten LKW-Spuren. Also zurück nach Abu Dom. Die folgenden 380 Kilometer durch die Bayuda Wüste nach Omdurman sind recht beschwerlich: tiefe Spurrillen durch weiche Sandfelder, trotz gelegentlicher Markierungen mit Eisenstangen ist die Orientierung mühsam, vor allem bei dem einsetzenden Sandsturm.


Bayuda Wüste
Ungemütliche Fahrt durch die Bayuda Wüste



Nächtlicher Besuch

Mitten in der Nacht bekommen wir unverhofft Besuch. Zwei verhüllte Kamelreiter klopfen ans Auto, wollen, daß wir herauskommen, und nachdem wir ihrem Wunsche nicht Folge leisten, begnügen sie sich mit zwei Bechern Wasser, die wir ihnen durch einen Spalt am Fenster herausreichen. Merkwürdig erscheint uns das schon. Die beiden Typen steigen von ihren Kamelen und scheinen zu beraten, was zu tun sei. Schließlich verschwinden sie zwischen den Büschen in der Dunkelheit, zu unserer großen Erleichterung.

Am nächsten Tag rollen wir in Khartum ein. Der erste Eindruck ist nicht sehr positiv. Beim Wäldchen am Hilton Hotel, einem Treffpunkt der Autotouristen, schauen wir als erstes vorbei, niemand da, nur Sudanesen beim Picknick. Da wir nicht genau wissen, wo der Deutsche Club zu finden ist, nehmen wir ein Taxi, das uns dorthin führen soll. Und wen sehen wir da zu unserer großen Überraschung? Wolfgang und Karl beim Pool-life! Sie haben es also doch ohne Visum bis hierher geschafft. Wir trinken ein Bier, duschen und waschen die total verstaubten Haare und schwimmen noch einige Runden im Pool.

Übernachten können wir im Auto, das im Hof des Deutschen Clubs gut aufgehoben ist. Von schlafen kann aber keine Rede sein. Dicke Schwärme blutgieriger Mücken belagern uns die ganze Nacht über. Selbst bei geschlossenen Fenstern dringen sie über die Belüftungsöffnungen ins Wageninnere. Am Morgen ist der Fahrzeughimmel übersät mit Blutflecken...



Kampf um Diesel

Total unausgeschlafen müssen wir uns heute der wichtigen Aufgabe widmen, Diesel zu beschaffen. Für den Normalverbraucher gibt es kein Diesel an den Tankstellen und schon gar kein Benzin, lediglich Inhaber staatlicher Gutscheine werden bedient. Inzwischen haben die Schlangen der an den Tankstellen auf Treibstoff wartenden Fahrzeuge unvorstellbare Dimensionen angenommen. In Dreierreihen winden sie sich um ganze Häuserblöcke. Da steht uns ja was bevor!

Wir gehen das Beschaffungsproblem systematisch an: Beim Tourismus-Office der Regierung lassen wir uns ein Empfehlungsschreiben für die General Petrol Corporation ausstellen. Damit fahren wir in deren Direktion und beantragen den Kauf von 200 l Diesel. Nach zwei Stunden halten wir tatsächlich ein entsprechendes Papier in Händen. Jetzt müssen wir nur noch das Tanklager am Flugplatz finden. Wieder führt uns ein Taxi dorthin. Wir weisen das Papier vor und werden aufs Gelände gelassen. Das zuständige Büro ist schon von weitem zu erkennen. Eine riesige Schlange hoffnungsvoll Wartender steht geduldig da. Wie wir es gewohnt sind, reihen wir uns ein, werden aber bevorzugt bedient. Wieder zwei Stunden später halten wir eine Lieferanweisung über 200 Liter Diesel in Händen. Dummerweise ist es jetzt 14.00 Uhr und das Tanklager für heute schon geschlossen.

Also: am nächsten Morgen aufstehen um halb sechs Uhr, denn um 6.30 Uhr soll Dienstbeginn im Tanklager sein. Und tatsächlich, um 7.00 Uhr kommt der Kassierer, wir zahlen 54 Sudanesische Pfund für 200 Liter, das sind 1,15 DM pro Liter. Ein Faß wird gefüllt (160 Liter) und wir machen voll. Den Rest schenken wir der netten Mannschaft. Wir haben es tatsächlich geschafft, es kann weitergehen!

Inzwischen waren Wolfgang und Karl nicht untätig. Bei ihnen geht es um die Wurst. Die Immigration zeigte sich nicht sehr einsichtig, wenn Touristen ohne Visum durch ihr Land fahren wollen. Die beiden werden nur weitergelassen, wenn sie ihr Auto per Bahn und dann per Schiff nach Juba im Süden verladen. Das gefällt den beiden natürlich gar nicht. Die Alternative wäre nur: über Wadi Halfa zurück nach Ägypten!

Wie wir später hören, haben sie es doch geschafft, entlang des Jonglei-Kanals nach Juba zu fahren und waren wie geplant 4 Wochen später in Kapstadt. Respekt!

Für uns ist hier der Wendepunkt unserer Reise gekommen, es geht wieder nach Norden. Das staubige Khartum bietet nicht viel Attraktionen, sodaß wir froh sind, als wir nach wenigen Tagen Aufenthalt wieder on the road sein können.

Über eine sehr gut ausgebaute, neue Teerstraße geht es zunächst erst weiter in den Süden, der tatsächliche Wendepunkt kommt bei Gedaref. Hier trifft man schon auf die ersten jener phantastischen Granitspitzen, die bei Kassala nahe der eriträischen Grenze phantastische Dimensionen erreichen.



Im Land der 'Fuzzi-Wuzzi'

Dies ist das Land der 'Fuzzi-Wuzzi', einem ehedem kriegerischen Volksstamm. Abends am Rastplatz bekommen wir von einem wenig vertrauenswürdigen Vertreter seines Volkes Besuch. Wir schenken ihm eine Pampelmuse. Er erweckt den Anschein, als hätte er so etwas zum ersten Mal gesehen. Mit diesem Präsent ist er offensichtlich nicht sehr zufrieden. Endlich finden wir heraus, was er wirklich will: Streichhölzer! Er steckt sie in eine kleine Tasche seines ledernen Lendenschurzes und macht sich grußlos davon.

Wir nähern uns dem Küstengebirge. Vor Sinkat zweigen wir von der Hauptstraße nach Osten ab und fahren 30 Kilometer in die Berge. Die kleine Straße führt hinauf in eine nebelumhüllte Bergwelt mit bemerkenswerter Vegetation. Nicht verwunderlich, daß die Nebeloase Erkowit für die hitzegeplagten Großstädter Port Sudans ein ersehntes Sommer-Resort darstellt. Dennoch ist hier nicht viel los, ein paar Häußchen und ärmliche Souvenirhändler.


Nebeloase Erkowit
Nebeloase Erkowit: Saftige Vegetation mitten in der Wüste


Über einen steilen Pass, der offensichtlich schon einigen der schwerbeladenen LKWs zum Verhängnis geworden ist, geht es hinunter nach Suakin. Die einst prächtigen, mehrstöckigen Häuser dieser alten Hafenstadt sind aus Korallenkalk erbaut und mittlerweile bis auf einige wenige alle zerfallen. Ein trostloser Anblick!


Suakin am Roten Meer
Suakin: Traurige Überreste einst mächtiger Kaufmannshäuser


Port Sudan ist nun nicht mehr weit. Die Stadt hat einen faszinierenden Charakter, ganz anders als das gesichtslose Khartum. Erstaunlicherweise gibt es hier sogar Diesel an der Tankstelle, ohne lange in Schlangen warten zu müssen!



Dem Roten Meer entlang nach Bir Shalatein

Von hier führt eine gute Piste die schmale Ebene zwischen Küstenkordilliere und Rotem Meer entlang über Muhammed Qol nach Halaib. Im Prinzip gibt es im Verlaufe dieser Strecke keine Orientierungsprobleme. Wir nehmen allerdings die Aussage im Därr-Führer zu wörtlich, der zufolge sich die Piste vor Muhammed Qol kurzzeitig landeinwärts wenden solle. Wir folgen demgemäß der breiten Piste solange, bis wir weit westlich in den Bergen stutzig werden. Denn hier geht es nicht nach Muhammed Qol! Dieser Ort liegt nämlich an der Küste und nicht im Gebirge. Wir treffen auf einen Bedford LKW, dessen Fahrer es nicht verstehen kann, daß wir hier nach Muhammed Qol fahren wollen! Also wieder zurück zur Küstenebene. Jetzt wird klar, wir haben einen vielbefahrenen Abzweig genommen, der nach Salala ins Landesinnere führt, die Piste nach Norden ist hingegen wenig befahren und am Abzweig nur schwer zu erkennen!

Muhammed Qol ist ein miserables Fischernest mit einem einzigen, allerdings weiß-gekalktem Steinhaus, ansonsten gibt es nur einige windschiefe Hütten aus Treibholz. Von dieser Qualität sind alle 'Orte' an der Küste. Uns hält hier nichts, wir fahren weiter Richtung Ägypten.


Muhammed Qol, Rotes Meer
Muhammed Qol am Roten Meer


Der nächste Ort ist Halaib. Es ist aber nicht auszumachen, ob dieser Ort noch im Sudan liegt oder bereits in Ägypten. Aus gutem Grund machen wir einen großen Bogen um ein Verwaltungsgebäude, aus dem jemand herausstürzt und uns zu sich winken will. Wir ignorieren diesen Menschen, nicht Gutes ahnend.

Die Piste ist nun von sehr bescheidener Qualität, es gibt eigentlich nur wenige, undeutliche Spuren. Trotzdem kommen wir schön voran. Halaib ist schon lange verschwunden, als wir plötzlich Hubschrauberlärm hören. Im Rückspiegel sehe ich, wie ein Hubschrauber ziemlich nahe am Boden hinter uns herjagt. Jetzt haben sie uns also doch erwischt, denke ich mir. Unsere Wiedereinreise nach Ägypten wäre damit wohl geplatzt, obwohl ich inzwischen wieder die ägyptischen Nummerntafeln montiert habe. Zu meiner großen Erleichterung sehe ich, wie der Hubschrauber an uns vorbei weiter nach Norden fliegt und uns nicht beachtet. Warum auch, es handelt sich offenbar um eine privaten Hubschrauber einer Bergbaugesellschaft...


Rotes Meer: Küstenkordilliere
Bizarre Berge der Küstenkordilliere der Arabischen Wüste


Dafür gibt es jetzt andere Gefahren: Exakt alle 10 Kilometer, auf der Anhöhe eines dem Küstenverlauf parallel folgenden Dünenzugs, sind militärische Mannschaftszelte errichtet. Von dort aus muß man einen phantastischen Blick nicht nur auf das Rote Meer sondern auch auf die Küstenebene haben! Neben dem Zelt ist jeweils ein Antennenmast aufgebaut. Glücklicherweise stehen aber keine Fahrzeuge daneben. Die Zelte sind also unbemannt.

Trotzdem machen wir, daß wir so schnell wie möglich aus dem Blickfeld verschwinden, indem wir quer durchs Gelände auf die Berge der Küstenkordilliere zuhoppeln. Das wird uns dadurch erleichtert, daß die schwach erkennbare Piste nun nach NO schwenkt, auf Bir Shalatein zu. Wir übernachten in guter Deckung, und können doch bei einsetzender Dunkelheit die Lichter von Bir Shalatein in der Ferne gut erkennen.



Durch die Arabische Wüste

Die nächste Etappe führt durch die wilden Berge der 'Arabischen Wüste'. Mit Hilfe unserer guten englischen Militärkarten legen wir den genauen Kurs fest, den wir fahren müssen, um zu dem Durchschlupf durch das Küstengebirge zu gelangen. Dort sollten wir auf die Piste von Bir Shalatein nach Assuan stoßen. Und so ist es auch. Am erwarteten Ort treffen wir auf ein breites Bündel frischer Spuren, die sich an der Engstelle zu einer tief ausgefahrenen Piste konzentrieren. Sollten hier vielleicht die Militärs fahren, deren Zelte wir gestern gesehen hatten?


nahe Bir Shalatein
Durchschlupf auf dem Weg von Bir Shalatein nach Assuan


Durch wunderschöne Landschaften geht es weiter zu den Brunnen Bir Abraq und Bir Abu Hashim. Am Brunnen Bir Abraq, steht mitten in der Einsamkeit ein gemauertes Haus, umgeben von (Militär-?) Zelten. Bevor wir diesen Ort erreichen, haben wir noch ein merkwürdiges Erlebnis: wir machen gerade zum Kartenstudium Halt, als wir in einiger Entfernung unvermittelt 3 weiße Toyota Hilux aus Richtung Assuan auf uns zukommen sehen. Mit einem Mal, vermutlich in dem Moment, als sie uns entdeckt haben, machen sie kehrt und flüchten in alle Richtungen. In größter Panik verirrt sich einer der Pick-ups sogar auf einen Schuttkegel an einem Berghang weit abseits der Piste, in der irrigen Annahme, uns so zu entkommen! Wir sind uns darin einig, es höchstwahrscheinlich mit Autoschmuggler auf dem Weg in den Sudan zu tun zu haben. Vorsicht ist also geboten!

Hier, in der Gegend um Bir Abu Hashim, wollten wir eigentlich die letzte Nacht vor Assuan verbringen. Da uns diese Begegnung, wie den Autoschmugglern auch, ein wenig in die Glieder gefahren ist, beschließen wir, besser gleich bis Assuan durchzufahren.

Der schwerste Schock unserer ganzen Reise sollte uns aber erst bevorstehen. Ungefähr 90 Kilometer vor Assuan erklimmen wir auf der Piste einen steinigen Felshügel, als knapp vor uns ein Flugabwehrradar russischer Bauart und die dazugehörige Raketenbatterie auftaucht. Die Piste führt direkt an der Stellung vorbei. Sofort sehe ich, daß sich die Antennen nicht bewegen, auch scheint hier niemand zu sein. Kein Wachposten hält uns auf, wir fahren sehr schnell weiter, so, als sei der Teufel hinter uns her. Was hätte das doch für Unannehmlichkeiten bringen können! Eine letzte Hürde haben wir noch zu meistern: Kurz vor der Einmündung dieser Piste auf die geteerte Hauptstraße nach Assuan ist noch ein Militärposten. Glücklicherweise ist dieser aber mit der Essensausgabe beschäftigt, sodaß wir ungehindert passieren können.


Hügellandschaft östlich Assuan
In diesen Hügeln wartet eine böse Überraschung auf uns...


Einerseits sind wir froh, die Rückreise aus dem Sudan über die 'grüne' Grenze unbehelligt über die Bühne gebracht zu haben und wieder am Nil zu sein, andererseits sind wir auf dem Campingplatz in Assuan sehr schlecht untergebracht: katastrophale Sanitäranlagen, viel Lärm in der Nacht dank permanentem Bellen eines impertinenten Köters, der erst mit einem geeigneten Stein für eine Weile zum Schweigen gebracht werden kann.

Fünfundzwanzig Tage sind wir nun unterwegs seit Alexandria. Damit bleibt uns nur mehr knapp eine Woche bis zur Rückfahrt mit der Espresso Eggito. Dieser Zeitrahmen ist dadurch gegeben, daß die Reederei Adriatica für Reisen mit dem Auto in Ägypten bis zu einer Aufenthaltsdauer von 4 Wochen die Zollgarantie übernimmt und man so um die immensen Kosten eines Carnets herumkommt.



Kulturelles Pflichtprogramm

Der letzte Abschnitt unserer Reise hat nun einen kulturellen Touch. Wir fliegen von Assuan nach Abu Simbel, stehend staunend vor den riesigen Memnon-Kolossen, besuchen in Luxor die gigantischen Tempelanlagen Karnaks und das Tal der Könige mit seinen weltbekannten Königsgräbern, machen die Rundtour über die Berge und sind beeindruckt von der Lage des Hatschepsut-Tempels.

Das muß vorerst aber genügen. Und so sind wir froh, uns aus dem chaotischen LKW-Verkehr auf der Hauptstraße nach Kairo ausklinken zu können und einsam auf neuem Asphalt durch eine traumhafte Berglandschaft von Qena nach Safaga und Hurghada zu rollen. Im Sheraton wollen wir uns ein gutes Mittagsmahl gönnen, doch was da geboten wird, kann nicht einmal nach dem Geschmack der dort in Massen auftretenden Neckermann-Touristen sein.

Schnell geht es weiter auf der Küstenstraße nach Norden. Es ist nicht leicht, einen Schlafplatz am Strand des Roten Meeres zu finden. Überall Militär, Radar, gekennzeichnete Minenfelder. Wir wundern uns schon, daß wir an unserem versteckten Lagerplatz nicht gleich vertrieben werden. Das Vergnügen haben wir dann aber am nächsten Morgen, als uns ein Soldat auf Kamel klarzumachen versucht, daß wir hier am Meer nicht schlafen dürfen. Zu spät, wir haben schon geschlafen!

Dann kommt der übelste Straßenabschnit unserer ganzen Reise: das Stück von Hurghada nach Ain Sukhna. Ein brutales Schlagloch nach dem anderen, der Straßenrand auf gefährlichste Weise ausgefranst, sodaß wir jedesmal bei Gegenverkehr um unsere Federn und Stoßdämpfer bangen müssen.



Nächtliches Abenteuer in Gizeh

Da macht es ja geradezu Spaß, sich durch den abendlichen Stoßverkehr durch Kairo nach Gizeh zu quälen, immer in der Hoffnung, daß niemand unser Auto schrammen möge. Natürlich bleibt uns dieses Erlebnis doch nicht erspart. Beim Tanken übersieht ein LKW-Fahrer unseren LandCruiser und rammt ihn rückwärtsfahrend. Dabei reißt er eines der seitlich angebrachten Sandbleche weg und drückt die rechte Wagenseite ein. Schuld sind klarerweise wir, denn hätten wir in dem Moment nicht getankt, wäre sicher nichts passiert. Eine bestechende Logik, die jeder Ägypter versteht...

Gemeinsam mit einem französischen Toyota-Fahrer richten wir uns am Wüstenplateau in gebührendem Abstand zur Chefren-Pyramide zur Übernachtung ein. Es schließt sich noch ein Backpacker an, der sein Zelt zwischen unseren beiden Fahrzeugen aufbaut. Mitten in der Nacht helle Scheinwerfer, laute Stimmen, Durcheinander. Soldaten hatten versucht, in das Zelt einzudringen, wohl in der Hoffnung, dort etwas Brauchbares zu finden. Dann kommen sie zu unserem Seitenfenster. Mit meinem Starklichtscheinwerfer leuchte ich sie vom Wageninneren an und erkenne die uns wenig wohlgesonnen Gesichter. Mein tierisches Gebrüll sorgt für Verwirrung. Die Typen geben auf und verschwinden.

Am nächsten Tag haben wir noch genügend Zeit für einen Besuch der uralten Stufenpyramide in Sakkara (unzugänglich, da militärisches Sperrgebiet), des Ägyptischen Museums und des Bazars, aus dem man uns ohne den Kauf zweier Flaschen Parfüm nicht herausgelassen hätte. Von diesem Erlebnis erholen wir uns bei türkischem Kaffee und Baklava im altehrwürdigen Cafe Groppi.



Auf der Flucht

Schmutz und Müll überall, das macht uns sehr zu schaffen. Also, weg hier, auf nach Alexandria! Dorthin flüchten sich auch die Kairoer, wenn sie ihre Stadt nicht mehr ertragen können.

In Abu Kir an der Küste des Mittelmeeres soll es einen Campingplatz geben, den wir aber nicht finden können. Vermutlich sind die wild gebauten Wochenendhäußchen einfach darüber hinweggewuchert. Im Garten des Montazah Palastes würde uns Unterkunft im Auto gewährt, doch 15 L.E. ist zu viel für einen Übernachtungsplatz ohne Wasser und WC. So irren wir also durch alle Winkel Alexandrias auf der Suche nach einem Standplatz. Es ist schon fast dunkel, als wir uns entscheiden, beim Kait Bey Fort, wo in der Antike der alte Leuchtturm stand, zu bleiben. Wie immer geht ein starker Wind in Alex, der sich noch auf Sturmstärke steigert. Wir haben ernste Bedenken, ob unser Schiff unter diesen Umständen den Hafen verlassen kann. Das gäbe große Probleme mit unseren Arbeitgebern...



Stürmische Zeiten

Nach einer fürchterlich stürmischen Nacht und heftigem Regen machen wir uns auf die Suche nach einem anderen Campingplatz an der Küstenstraße Richtung El Alamein. Der Regen hat inzwischen aufgehört, dafür gibt es jetzt einen brutalen Sandsturm, sodaß wir in El Alamein mit einer mattgescheuerten Stoßstange und metallisch-blinkenden Nummerntafeln ankommen. Den Campingplatz haben wir unterwegs gesehen, es aber nicht gewagt, da abzusteigen, so schäbig und verdreckt dieser war. Der Sturmwind peitschte uns schon bei einem kurzen Versuch dort auszusteigen, Müll und Dreck kiloweise ins Gesicht!

Das gleiche Erlebnis in El Alamein. Kurz ein Blick auf die WWII-Gedenkstätte. Bei dem Sturm ist nicht an mehr zu denken. Wir fahren zurück nach Alex, immer auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz. Nichts. Wir fahren auf die Desert Road nach Kairo, glauben einen annehmbaren Platz gefunden zu haben, versumpfen auf der Zufahrt dorthin jedoch beinahe und gleiten gegen einen Baum, der unserem Auto eine schöne Schramme beschert. Nach 250 Kilometern Suche finden wir spät abends erneut Zuflucht am windigen Fort Kait Bey. Eine Nacht werden wir es gerade noch aushalten können, dann sind wir am Schiff!

Nach dem obligaten Autowaschen und Volltanken geht es am nächsten Morgen zum Hafen. Wir werden abgewiesen, die Espresso Egitto sei noch nicht da. So etwas haben wir schon fast erwartet. Wir erkundigen uns bei der Agentur nach dem Verbleib des Schiffes und zu unserer Überraschung erfahren wir, daß es soeben eingelaufen sei. Also zurück zum Hafen. Und tatsächlich, in dem kleinen Passagierhafen ist sie sofort auszumachen. Außer einer wahren Unzahl gebrauchter (Schrott-)Autos sind kaum Touristenfahrzeuge an Bord. So geht alles sehr schnell. Nach einer Stunde Hetzen von einem Schalter zum anderen haben wir alle Formalitäten erledigt, das Auto aufs Schiff gefahren, unsere Kabine bezogen und endlos geduscht. Vier Mal müssen meine Haare eingeschäumt werden, bis sich der ägyptische Staub und Dreck gelöst haben! Zurück bleiben nur die Erinnerungen an eine gewagte aber erfolgreich abgeschlossene Tour.



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