Nach einigen unerträglichen Tagen auf der desolaten Espresso Egitto laufen wir
endlich im Hafen von Alexandria ein. Nur 30 Minuten dauert die gut organisierte
Abfertigung an Bord. Mit viel Glück sind wir die ersten, die wieder festen
Boden unter den Füßen haben. Wir sind heilfroh, auch diese Schiffspassage
überlebt zu haben. Es gibt nichts Schlimmeres für eingefleischte
Sahara-Fahrer als eine Überfahrt, noch dazu bei rauher See.
Wieder in der Wüste
Genau vier Wochen bleiben uns, um zur Rückfahrt hier wieder zu erscheinen.
Dann wird der Fährbetrieb eingestellt. Das heißt also, wir müssen
powern, um über die Runden zu kommen. Die ägyptischen Nummerntafeln werden
montiert, mit billigem Diesel alles vollgetankt und schon starten wir Richtung
Süd. Schnell haben wir über die Wüstenautobahn Gizeh erreicht. Beim
Polizeiposten gegenüber dem Mena House Hotel holen wir uns wie immer den
Stempel der Immigration. Unser erster Lagerplatz in der Wüste ist rasch
bestimmt. Wir fühlen uns sauwohl, so als wären wir nie von der Wüste
weg gewesen!
Am Morgen setzt Sturm ein. Bereits in Bahariya ist die gelbe Farbe unserer vorderen
Nummerntafel verschwunden, es glänzt nur mehr blankes Metall. Hin und wieder
versperrt eine Barriere aus leeren Tonnen die Straße. Kurze Paßkontrolle,
keiner frägt mehr nach einer 'Tesserija', die 'Oasenstraße' kann frei
befahren, allerdings nicht verlassen werden. Unübersehbar weisen große
Schilder darauf hin, daß es Ausländern verboten sei, von der Hauptstraße
abzuweichen.
Nostalgische Erinnerungen
Der Abzweig nach Ain Dalla, die 'Weiße Wüste' südlich Farafra und
der überwältigende Ausblick nach Süden vor der Abfahrt zum Bir Abu
Minqar: all dies weckt Erinnerungen an vorangegangene Reisen.
Wir können uns der Nostalgie jetzt nicht hingeben, wir müssen unser Ziel,
den sudanesischen Darfur, im Auge behalten.
Ein letztes Mal wird in Mot, dem Hauptort der Dakhla-Oasen, vollgetankt. Von dort
führt eine neue Teerstraße nach Süden. Der Zugang wird, wie wir
von der letzten Reise wissen, von einem Militärposten bewacht. Die Fahrt geht
also weiter Richtung Kharga, bis sich etwa fünfzig Kilometer hinter Mot eine
günstige Stelle zum Verlassen der Teerstraße bietet.
Doppeltes Glück
Am vorgesehenen Ort queren wir die von Mot kommende, verbotene Teerstraße nach Westen
und halten uns mehr nach Süd-West, um auf die zum Gilf Kebir führende
Piste zu treffen. Bei einer kurzen Mittagspause der übliche prüfende
Blick auf das Auto. Zu meinem Entsetzen muß ich feststellen, daß eine
Befestigungsschraube an der Spurstange fehlt und die andere nur lose in ihrer
Schelle hängt! Natürlich kann ich mit Bordmitteln den Schaden beheben,
doch die Wut auf Toyota Wieser in München, der die Spur kontrollieren und
einstellen sollte, bleibt. Nicht lange, denn schon kündigt sich neues Ungemach
an: Ein kleiner, brauner Punkt bewegt sich rasch auf uns zu. Mit dem Fernglas ist
zu erkennen, es handelt sich um einen Militär-Jeep. Erstaunlich, mit welcher
Geschwindigkeit der hier unterwegs ist und dazu noch, ohne eine Staubfahne hinter
sich herzuziehen! Noch erstaunlicher: in einer Entfernung von vielleicht 200 Metern
düst er mit vollem Rohr an uns vorbei, weiter nach Süden! Er hat uns gar
nicht gesehen! Nachdem er schon hinter dem Horizont verschwunden ist, schauen
wir nach seinen Spuren: keine zu sehen! Er ist auf der Teerstraße gefahren,
die ganz offensichtlich ihre Richtung unbemerkt von Süd nach Südwest
geändert hat! Wir sind also die ganze Zeit parallel zu ihr durchs Gelände
gegurkt! Da wir nicht gesehen werden wollen, geht es jetzt erstmal gleich zehn
Kilometer nach Westen.
Noch rechtzeitig bemerkt: Pfusch der Toyota-Werkstatt
No 'easy crossings'
Unser nächstes Ziel ist die Gegend zwischen dem Jebel Uwainat und dem Jebel Kissu, wo wir
hoffen, auf die Spuren der LKW zu stoßen, die regelmäßig zwischen
Kufra und Mellit bzw. Kutum verkehren. Zur Orientierung dienen uns die alten englischen
Karten, die großteils noch auf die Entdeckungsfahrten Kemal el Dins,
Bagnolds, Newbold und Shaws und anderer in der Vorkriegszeit zurückgehen.
So nimmt es nicht wunder, daß wir ziemlich unverhofft in eine
unwegsame Berggegend geraten, wo laut Karte eigentlich eine weite Ebene sein
sollte, oder wir uns einen Tag später durch eine Kette niedriger, dafür
weicher Dünen quälen müssen, die uns nach zehn Kilometern zwar
wieder freigeben, aber freilich erst, nachdem bei einer heiklen Dünenpassage
die hinteren Federn einen beachtlichen Schlag abbekommen haben. Diese Dünenkette
setzt sich weit nach Süden fort, wo sie auch auf der Karte verzeichnet ist mit
lapidaren Bemerkungen wie 'Bad dunes', 'No easy crossings'...
In der Karte nicht verzeichnet: unwegsames Bergland
Vorbei am Pottery Hill, wo wir keine Tonscherben, dafür aber einen riesigen
Steinmann mit einer uralten, dicken Kruste weißer Vogelexkremente vorfinden,
geht es zum nächsten Dünenzug, der uns dank einer bequemen Passage
('Sand Dune Gap') keine Probleme bereitet. Diese Passage wurde schon von der
Long Range Desert Group im 2. Weltkrieg genutzt. Unzählige verrostete Shell
Benzinkanister markieren einen Feldflugplatz. Deutlich zu erkennen die Auto-Spuren,
die von Kufra kommend über den Uwainat nach Selima und weiter zum Nil
führen.
Einsamer Wegweiser im südlichen Selima Sandsheet
Shaws Camp 18
Unser Tagesziel sollen heute jene three black hills sein, die schon Shaw und
später Bagnold als Orientierungspunkte gedient haben. Der Weg dorthin
führt durch eine Gegend, die auf der Karte mit 'Drainage and relief data
incomplete' beschrieben wird. Tatsächlich enden die weiten aber sehr weichen
Sandfelder des Selima Sandsheets recht bald und eine beschwerliche Fahrt über
Stock und Stein, durch Wadis und über Felsrücken beginnt. Bereits von
weitem sind die drei schwarzen Berge zu erkennen, wir erreichen sie erst Stunden
später auf vielen Umwegen. Vom Camp 18 der Expedition von Shaw 1930
ist leider keine Spur mehr zu entdecken.
Von weitem sichtbar, aber nur schwierig zu erreichen:
die 'three black hills' (rechts hinten)
Der nächste Wegpunkt ist Kemal el Dins Camp 29, das er im Zuge
seiner Expedition im Jahre 1925 eingerichtet hatte. Doch bevor wir es erreichen,
treffen wir 15 Kilometer davor auf ein Bündel frischer, in Nord-Süd-Richtung
verlaufender LKW-Spuren, von denen wir annehmen, dass sie vom Jebel Kissu
herüberkommen. Wir beschließen, diesen Spuren zu folgen, da sie
ganz offensichtlich in die gewünschte Richtung führen und sicherlich den
leichtesten Verlauf nehmen. Diese Rechnung geht voll auf. Die nächsten 150
Kilometer geht es mit 70 Stundenkilometern im 4. Gang über leicht wellige,
fast ebene, harte Sandflächen. Dann verdichten sich die LKW-Spuren
zu einer Art Piste, um über unangenehmes, steiniges Hügelland zu
führen.
Acht LKW-Spuren weisen uns den Weg nach El Atrun
Keine Spur von Merga
Die Oase Merga (Nukheila) sollte nun bald auftauchen. Von den steinigen Hügeln
geht es hinunter in eine stark versandete Senke mit zwei einsamen Palmen. Vom See
Mergas nichts zu sehen. Die folgenden zehn bis fünfzehn Kilometer machen uns
ganz schön zu schaffen. Steile Auffahrten über weiche Hänge, oft mit
Schrägfahrten verbunden, grobes Geröll, scharfe Steine, immer bergauf,
bergab. Diese Strecke ist die schwierigste, die wir bislang überhaupt gefahren
sind. Wir können nur darüber lachen, daß wir tags zuvor noch meinten,
dort wo LKW fahren, würden uns keine Schwierigkeiten erwarten...
Inzwischen ist uns klar geworden, daß wir den See von Merga, ehedem Schlupfwinkel
des berüchtigten Räubers Gongoi, weit östlich umgangen haben. Wir
überlegen gerade, warum die Spuren jetzt nach Südosten, ja fast nach
Osten verlaufen, als plötzlich lautlos eine kleine Karawane mit 20
vollbeladenen Kamelen, begleitet von 6 ärmlichen, zerlumpten Gestalten,
grußlos und hastig an uns Richtung Westen vorbeizieht. Nach langen
Überlegungen bleiben wir dabei, den LKW-Spuren weiter zu folgen. Es stellt
sich heraus, daß sie lediglich eine Berggruppe östlich umgehen, um dann
wieder voll auf El Atrun zuzuhalten.
El Atrun, Vorposten der Zivilisation
El Atrun kündigt sich durch einen markanten Berggipfel an, der eine palmenbestandene
Senke überragt. Einige Kilometer weiter südlich dann das Zeltlager des
Polizeipostens, um den im weiten Rund einige LKWs geparkt sind, die wohl die
hunderten von Menschen hierher transportiert haben, die es sich um die Büsche
herum bequem machen. Die Paßkontrolle verläuft sehr freundlich. Wie wir
erfahren, haben sich die Libyer in Merga festgesetzt. Von ihrem Lager aus fahren sie
Patrouille, schießen auf alles, was sich bewegt, verfügen sogar über
ein Flugzeug und 'elektronische Anlagen'. Das dürfte vermutlich der Grund sein,
warum die LKWs Merga 20 Kilometer weit im Osten umgehen. Um das Lager herum jede
Menge Fässer, was darauf schließen läßt, daß man hier
eventuell Diesel erhalten könnte. Hier beginnt auch eine LKW-Piste nach Dongola.
Markante Berge signalisieren die Nähe El Atruns
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Zeuge eines Besuchs vor 70 Jahren: verrostete SHELL-Kanister der
Long Range Desert Group
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Von nun ab genießen wir den Luxus einer definierten Piste. Einige Kilometer
vor dem Wadi Howar, das von sich weitem schon mit einem breiten Vegetationsstreifen
ankündigt, verläuft die Piste in Weichsandfeldern, dafür haben wir wieder
unsere acht vertrauten LKW-Spuren vor uns. Im zwei Kilometer breiten Wadi Howar eine
aufgegebene Pumpstation, Überreste menschlicher Behausungen und Tierspuren
aller Art. Die Ausfahrt aus dem Wadi über die steile Uferböschung gelingt
erst im dritten Anlauf.
Tiefe LKW-Spuren am Südufer des Wadi Howar
Vom Wadi Howar zu den Tobago Hills
Nun ändert sich die Landschaft allmählich. Zwar gibt es hin und wieder
noch weite, wellige Sandfelder, es ist aber offensichtlich, daß die Wüste
im Rückzug begriffen ist und unaufhaltsam in Markouba, später in eine
grüne Buschsavanne übergeht. In der Ferne sind bereits die Meidob Hills
auszumachen. Den ersten gemauerten Häuser, Menschen, Motorpumpen und große
Tierherden begegnen wir im Wadi Magrur. Hier überrascht uns die üppig-grüne,
dichte Waldlandschaft!
Noch angenehme Piste durch die Meidob Hills
Wir folgen einer äußerst schwer zu befahrenen Piste mit tiefen
LKW-Spurrillen nach Westen. Wir befürchten schon, auf dem Wege nach Kutum zu
sein, als uns der Fahrer eines liegengeblieben FIAT-LKWs beruhigt. Wir sollen nur
den nächsten Abzweig nach links nehmen, da gehe es nach Malha. Der kleine Ort
ist schnell gefunden, nicht aber der berühmte Krater. Niemand kann uns den
Weg dorthin zeigen. Nach langer Suche haben wir ihn, 5 Kilometer nördlich der
Moschee, hinter einem flachen, braunen Erdhügel, doch gefunden! Hier bietet
sich ein idyllischer Anblick: ein riesiges Kraterrund, tief unten am Grund einige
kleine Tümpel und Quellen, aus denen unzählige Herdentiere trinken.
Pastorale Idylle im Malha-Krater
Die Piste führt weiter auf die Tobago Hills zu. Sie ist wiederum sehr
mühsam zu befahren, wie nahezu alle Pisten im Sudan: sandige, sehr tiefe
Spurrillen von LKWs, in der Mitte ein Höcker, der unseren Toyota über
das hintere Differential beständig abbremst. So kommen wir nur im 2. oder 3.
Gang des Untersetzungsgetriebes voran. Die Motoröltemperatur liegt bei 110 Grad,
der Dieselverbrauch ist enorm.
Mellit ist ein sehr geschäftiger Ort. Es gibt hier den Zoll und den Polizeiposten
mit angegliedertem, überfülltem Gefängnis, viele Geschäfte aller
Art und sogar eine Tankstelle. Transportunternehmer überbieten sich mit Angeboten,
Güter und Menschen nach Libyen bringen zu wollen. Es gibt regelmäßige
Fahrten nach Kufra, zweimal die Woche.
El Fasher
Keine 80 Kilometer später, 810 Kilometer nach Merga, fahren wir ziemlich
überraschend in El Fasher ein. Wie immer gilt unser erster Besuch der Polizei.
Schnell sind die Einreiseformalitäten erledigt und die Fahrtgenehmigung unseren
Wünschen entsprechend, bis Khartoum ausgestellt. Bleibt nur der Geldwechsel.
Die Bank würde schon US-Dollar wechseln, wenn wir eine Devisenerklärung
vorlegen könnten, diese müßte uns ja der Zoll in Mellit ausgestellt
haben. Doch dort waren wir dummerweise nicht. Nach langem Hin- und Hertelefonieren
klappt der Wechsel schließlich auch so. Jetzt haben wir Geld, um tanken zu
können. An der Shell-Tankstelle im Ort wird bezahlt, am Flugplatz aus
Fässern aufgefüllt. Zu Mittag ist alles erledigt, wir haben genügend
Zeit, bummeln zu gehen und einzukaufen. Den späten Nachmittag verbringen wir
in aller Ruhe dösend an einem Baum am südlichen Ortsrand.
In den Marra-Bergen
Eine schnelle Wellblechpiste bringt uns am nächsten Morgen weiter nach
Süden, in Richtung Nyala. So weit soll es aber vorerst nicht gehen. 90
Kilometer hinter El Fasher biegen wir nach rechts ab. Auf einer schönen Piste
erreichen wir nach 34 Kilometern den kleinen Ort Mellam, von wo aus die Piste nach
Suni in den Marra-Berge startet. Die zunächst harmlose Piste ändert bald
ihrem Charakter. Steil geht es über felsige Abschnitte den Berg hinauf,
trockene Bachbetten mit großen Felsblöcken sind zu queren, enge Kurven
nur schwer zu nehmen. Auf etwa 1500 m Höhe sehen wir den mächtigen
Gipfelaufbau des Jebel Marra vor uns. Die Piste ist inzwischen ziemlich chaotisch
geworden; vor allem bei den Bachbetten fürchten wir um unsere Federn, ist das
Auto doch mit über 550 Liter Diesel bis zum Rand voll beladen. Da wir nicht
wissen, was weiter oben in den Bergen noch Schlimmes auf uns wartet, entschließen
wir uns, umzukehren. Im Schrittempo geht es durch die pittoreske Berglandschaft
zurück. Total geschafft erreichen wir die Ebene!
Malerische Hügellandschaft am Fuße der Marra-Berge
Versteckt im hohen Gras die selten befahrene Piste hinauf in die Marra-Berge
In der 'Voice of America' hören wir heute Abend eine interessante Meldung:
die Libyer würden von sudanesischem Gebiet aus Angriffe auf den Tschad starten,
unter Duldung durch die Sudanesen, denen die Zahlung von Hilfsgeldern versprochen
worden sei. Allerdings hätten die Libyer Probleme mit dem unübersichtlichem
Gelände, in dem sie sich nur schwer zurecht finden. Das kommt uns irgendwie
bekannt vor....
Brutale Pisten unter stechender Sonne
Unter stechender Sonne, kein Schatten weit und breit, geht es von Nyala über
Ed Da'ein und En Nahud nach El Obeid. Wieder quälen wir uns über tief
ausgefahrene LKW-Pisten, deren Spur für unseren Toyota einfach zu weit ist.
Das heißt: entweder die Erhebung in Pistenmitte unters Differential nehmen und
beständig den Sand und oft auch große Steinbrocken vor sich her schieben,
oder gefährlich schräg zu fahren, mit einem Rad in der Spurrille, mit
dem anderen oben am seitlichen Pistenrand. Um diese Fahrweise realisieren zu
können, muß man erst mal über den mittleren Sandwall kommen.
Dabei werden die Federn brutal beansprucht durch das enorme Verschränken der
Achsen. Die Gefahr des Federbruchs besteht immer dann, wenn ein LKW in der Spur
entgegenkommt oder überholt werden muß. Ausweichen müssen immer wir.
Am besten rechtzeitig, um eine Konfrontation zu vermeiden.
Typisch sudanesische Piste
So suchen wir, wo es nur geht, alternative Spuren zu den LKW-Pisten. Hinter Umm
Rawaba verläuft eine solche Alternativ-Piste direkt am Bahngleis entlang.
Gerade als wir zum Gleis hin einem Loch in der Piste ausweichen wollen, werden
wir haarscharf von einem vollbesetzten Personenzug überholt. Wir haben ihn
in der dichten Staubwolke, die wir hinter uns herziehen, nicht gesehen! Grosses
Gelächter und Winken der fröhlichen Passagiere, die aus allen Türen
und Fenstern quellen und es sich zu hauf auch am Dach der Waggons gemütlich
gemacht haben.
In knappem Abstand überholt uns unerwartet der Zug
Federprobleme
Wie zu erwarten war, hat die schwierige Piste heute ihr Opfer gefordert: Abends
am Lagerplatz beim Kordofan-Berg stellen wir fest, daß das zweite
Federblatt einer der hinteren Federn gebrochen ist. Mit der Lösung dieses
Problems sind wir schon lange vertraut: das Federpaket wird sorgfältig mit
Riemen verschnürt. Das sollte bis Khartoum halten. Wir müssen es nur
bis Kosti schaffen, dort wartet die schöne Teerstraße nach Khartoum!
Auf dem Wege nach Kosti gibt es eine Überraschung: die ersten Touristen.
Franzosen, die mit ihrem Saviem in die Zentralafrikanische Republik wollen und schon
eine wahre Odyssee hinter sich haben. Zuletzt warteten sie in Khartoum tagelang
auf die Fahrgenehmigung nach El Fasher. Schließlich haben sie doch noch eine
erhalten, aber nur bis El Obeid!
Die Security im Dauerlauf
In Kosti machen wir uns mit dem Auto auf die Suche nach dem Markt. Ein junger Mann
mit weißem Hemd, gebügelter Hose und einer riesigen Sonnenbrille will
uns anhalten. Kein Platz für Anhalter, wir bleiben nicht stehen! Bei der
Rückfahrt treffen wir schon wieder diesen Kerl, diesmal auf der anderen
Straßenseite. Auch jetzt will er wieder mitfahren. Das kommt uns doch sehr
merkwürdig vor. Wir bleiben nicht stehen, warum auch? Es dauert nicht lange
und ein Taxi überholt uns mit halsbrecherischem Tempo, bremst, daß die
Reifen rauchen und stellt sich quer in unseren Weg. Die Wagentür wird
aufgerissen, ein Schwarzer stürzt auf uns zu, greift mit geübten Griff
durch das offene Fahrerfenster zum Lenkrad und zieht den Zündschlüssel
ab. Es ist unser Anhalter! Er will unseren Passport haben. Jetzt wird klar, mit
wem wir es da zu tun haben: Geheimdienst! Er kann oder will sich nicht ausweisen,
da er aber bedrohlich wird, erhält er unsere Pässe. Er will mit ins Auto
rein, um uns zu seiner Dienststelle zu bringen. Da ist aber kein Platz für ihn.
Er hat Pech, das Taxi, das ihn zu uns gebracht hat, ist inzwischen auf und davon,
ein anderes nicht in Sicht. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als im
Laufschritt eine viertel Stunde vor unserem Auto herzulaufen, bis wir endlich in
seinem Office sind! Hier wimmelt es nur so von jungen Leuten mit weißen Hemden,
gebügelten Hosen und riesigen Sonnenbrillen: alles Außendienstmitarbeiter!
Der Chef unseres Anhalters will wissen, was Sache ist, prüft unsere Pässe
und die Fahrtgenehmigung. Alles in Ordnung! Der Kerl mit dem weißen Hemd bekommt
einen tüchtigen Anschiß, wir können fahren, müssen Kosti aber
auf der Stelle verlassen. Auf der Nilbrücke erneut eine Kontrolle durch
Geheimpolizei. Die Burschen scheinen heute sehr nervös zu sein....
Duschen im Deutschen Club
Vor siebzehn Tagen haben wir Alexandria verlassen. Nun wird es Zeit, sich nach
einer Dusche umzuschauen. Die finden wir auch in Khartoums Deutschen Club in
Flughafennähe. Auf unserem schweißverkrustetem Körper muß
sich so viel Sand und Staub verfangen haben, daß der Duschabfluß im Nu
verstopft ist! Wir fühlen uns wieder wie Menschen, doch heute Nacht kommen
die Mücken, selbst durch die Entlüftung finden sie den Weg zu ihren Opfern.
Bis spät nach Mitternacht kämpfen wir verbissen gegen die Blutsauger.
So zieren am Morgen etliche Blutflecken das Fahrzeuginnere.
Es folgt das übliche Programm: Meldung bei der Immigration, Beantragung der
Fahrgenehmigung für die vor uns liegende Strecke, Mittagessen im Meridien,
Marktbesuch, Entspannen am Pool des Deutschen Clubs, Schreiben vieler Ansichtskarten.
Nach einem weiteren Tag in Khartoum haben wir wieder so viel Kraft geschöpft,
daß es weitergehen kann. Vor uns liegt die Durchquerung der Bayuda-Wüste
bis Debba am Nil. Es herrscht starker Sandsturm und dichter Staub macht die Fahrt
auf scheußlicher Wellblechpiste zur Qual. Erst spät am Abend legt sich
der Sturm und wir sehen, wo wir sind.
Faszinierend die Annäherung an den Nil. Vergessen die Häßlichkeit
der Bayuda-Wüste, vor uns der grüne Palmenstreifen, hinter dem der
majestätische Nil verborgen liegt! Durch idyllische Niloten-Dörfer geht
es bis El Khandaq. Hier wollen wir den Nil verlassen und direkt Selima ansteuern,
das etwa 350 Kilometer im Nordwesten liegt. Diesel haben wir genug bis Ägypten
und die kaputte Feder müßte auch halten.
Verrechnet! Es fehlen hundert Liter Diesel
Der markante, von weithin sichtbare Jebel Arbaghi wird als wichtigster Wegpunkt
bestimmt. Bis dorthin fahren wir über leichtes Gelände mit gelegentlichen
unerwarteten Sandrippen und Querrillen. Das geht natürlich auf unsere kaputte
Feder. Prompt stellen wir bei der allabendlichen Durchsicht des Fahrzeugs fest,
daß nun schon das 4. Federblatt gebrochen ist. Das macht uns Sorgen. Zwar
ist der Dieselverbrauch weitaus geringer als vor Abfahrt in Khartoum geschätzt,
hilft aber auch nicht viel, haben wir doch bei der Berechnung des zu tankenden
Dieselvorrats einen Additionsfehler gemacht, sodaß uns nun 100 Liter fehlen.
Eine schöne Bescherung! Wir müssen also auf dem kürzesten Weg nach
Kharga.
Wie immer sind wir in Selima alleine. Nur ein Wüstenfuchs lauert auf ein Paar
Landjäger, die wir gerne abgeben. Wir genießen die Geborgenheit, die uns
diese idyllische Oase bietet. Noch ein Sorgenkind mehr haben wir inzwischen: die beiden
Batterien sind kochend heiß. Eineinhalb Liter destilliertes Wasser müssen
nachgefüllt werden. Es wird höchste Zeit, wieder nach Ägypten zu
kommen. Die ägyptischen Nummernschilder aus Alexandria werden wieder montiert.
Offiziell sind wir nie ausgereist!
Selima:
In den Palmen lauert schon der Wüstenfuchs auf seine Beute, ein paar fette Landjäger
Schrille Pfiffe - reger Funkverkehr
Den ursprünglichen Plan, uns zwischen Mot und Kharga wieder auf die
Teerstraße zu schmuggeln, müssen wir wegen der Federprobleme und
möglicherweise nicht ausreichendem Treibstoffvorrats aufgeben. Wir gehen
nunmehr bewußt das Risiko ein, auf dem Weg nach El Maks und Kharga von einem
Posten angehalten zu werden. Und das passiert auch.
Als wir eine Kuppe der Teerstraße passieren, der wir seit Bir Dibis
folgen, sehen wir schon das große Militärlager vor uns: Bir Abu
Hussein. Wie üblich in Ägypten, versperrt eine Reihe Fässer die
Straße. Wir halten. Endlich bemerkt uns ein Soldat, kommt angelaufen und
rollt das Faß aus dem Weg. Wir fahren. Kaum haben wir so richtig Gas gegeben,
ein schriller Pfiff. Ein Offizier macht uns Zeichen, stehen zu bleiben. Er fragt
nach unserer Fahrgenehmigung, die wir ihm leider nicht zeigen können. Bis in
die Dunkelheit hinein gibt es nun einen regen Funkverkehr mit seiner vorgesetzten
Dienststelle.
Unerwartete Einladung zum Abendessen
Noch in der Nacht müssen wir nach Kharga aufbrechen. Im Auto neben uns ein
Soldat mit Gewehr und unseren Pässen. Wenigstens ist der Abschied
äußerst herzlich und freundschaftlich. Man bedauert sehr die
Unannehmlichkeiten, die man uns bereitet hat. Ich kann gerade noch erreichen,
daß wir nicht die vollen 300 Kilometer bis Kharga fahren müssen, bei
Dunkelheit, auf schlechter Straße, mit gebrochenen Federn. Und schon geht
es los. Gespenstisch die Vorbeifahrt an den Militärposten exakt alle 10
Kilometer: mit aufgepflanztem Gewehr wird in die dunkle Nacht hinein salutiert!
Im Militärcamp El Kasr, 200 km hinter Bir Abu Hussein ist Schluß. Es
ist halb Elf Uhr nachts. Unser Kommen war bereits per Funk angekündigt. Ein
Abendessen, bestehend aus Spiegeleiern und Fladenbrot, wird serviert, eine Stunde
später liegen wir todmüde im Auto.
Zu unserem großen Erstaunen ist die Begrüßung im Hauptquartier in
Kharga sehr freundlich. Man bedauert sehr, uns den Urlaub zu vermiesen. Im Gegenzug
bedauern wir, wenn wir gegen unbekannte Gesetze und Vorschriften verstoßen
haben sollten. An Hand verschiedener Karten müssen wir erklären, wie wir
nach Bir Abu Hussein gekommen sind. Das gelingt sehr plausibel, also gibt es
kein Problem mehr. Dann geht es zur Security. Es wird ein Protokoll über
den Vorfall erstellt, wir unterschreiben und erhalten die Genehmigung, uns wieder
frei im Land zu bewegen. Ein letzter, kurzer Besuch bei einer dritten Behörde
und wir sind frei! Unser erster Weg führt zur Tankstelle: nach 3100 Kilometern
seit Khartoum wird erstmals wieder vollgetankt!
Die nächsten Tage gehen wir gemütlich an. Über Mot und Bahariya
geht es nach Gizeh. Ein ausgiebiges Kulturprogramm steht in Kairo auf dem Programm,
übernachtet wird am Plateau direkt bei den Pyramiden, wo wir in der letzten
Nacht von Moskitos fast aufgefressen werden und die Nacht nur mehr SPIEGEL-lesend
verbringen können.
Startprobleme
So langsam wird es Zeit, nach Alexandria zurückzukehren. Das Schiff soll
übermorgen fahren. Wiederum geht es über den Desert Highway, diesmal
nach Norden. An passender Stelle suchen wir uns den letzten Lagerplatz dieser
Reise. Einen Kilometer abseits der Autobahn machen wir Halt. Am Morgen will der
Motor nicht anspringen. Strom ist da, das Radio läuft, trotzdem dreht der
Anlasser nicht. Ein prüfender Blick auf die Batterien schockiert mich: in
den zwei mittleren Zellen beider Batterien schwimmt statt klarer Batteriesäure
nur mehr eine schwarze Brühe. Statt 12.7 Volt messe ich nahezu Null Volt!
Das war's wohl. Ohne fremde Hilfe kommen wir hier nicht weg. Also machen wir uns
zu Fuß auf den Weg zur Autobahn, um Hilfe zu holen. Wir haben wieder einmal
Glück. Ein Baufahrzeug steht wie bestellt da und will uns anschleppen. Zu
unserer großen Verblüffung haben wir große Schwierigkeiten, in diesem
welligen Terrain unser Auto wiederzufinden! Nach kurzem Ruck läuft der Motor,
es kann weitergehen. Dennoch: wir sind total geschockt. So etwas bei Camp No. 18.
Das wäre unser Ende gewesen.
(Der Trick mit dem Anwerfen des Motors
über ein Hinterrad war uns damals schon bekannt, Hilfe zu holen schien in
dieser Situation aber naheliegender).
Nach dem Kauf zweier neuer Batterien, dem Füllen aller Tanks mit billigem
Diesel und anschließender Wagenwäsche geht es zum Montazah Palast, wo
wir im Park für wenig Geld im Auto übernachten dürfen. Unterwegs
sehen wir eine Riesenkarawane italienischer Wohnmobile. Das verspricht einigen
Ärger bei der Einschiffung morgen!
Kampf um einen Platz an Bord
Und so kommt es auch. Zwar sind wir die ersten Autotouristen im Hafen, müssen
aber untätig zusehen, wie jene Wohnmobile eines nach dem anderen an uns
vorbei an Bord fahren. Sollten wir nicht mehr mitgenommen werden, hätte dies
ernste Konsequenzen, denn auch nach dieser abenteuerlichen Fahrt in den Darfur
erwartet man von uns, pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen. Wir zwängen
uns also zwischen die Kolonne der Wohnmobile, lassen uns einweisen zum Parken,
legen in Erwartung des üblichen Sturms den ersten Gang im Reduziergetriebe ein,
ziehen die Handbremse, schließen die Türen, verschwinden in unserer
muffelnden Kabine und genehmigen uns die zweite Duschorgie auf unserer Tour.
Der gefährlichste Abschnitt unserer gewagten Tour kann also beginnen: die
Fährpassage zurück nach Venedig!
Reiseberichte
Reiseliste Sahara
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