Vor fast zehn Jahren standen wir schon einmal an jener Stelle im
Norden des Erg Chech. Eine puderweiche Dünenbarriere bedeutete das Aus
für unseren mit über 600 Liter Diesel beladenen LandCruiser, dessen
neue Spezial-Stoßdämpfer bereits nach kurzer Fahrt auf brutaler
Wellblechpiste ihren Geist aufgegeben hatten. Die sich im Süden
auftürmenden Sandgebirge ermutigten uns damals nicht gerade, unter diesen
Umständen die Weiterfahrt ins Ungewisse zu wagen. Diesmal waren wir dazu aber
fest entschlossen...
Durch die Dünen des Erg Chech
Zwar war der Toyota wieder so schwer wie beim ersten Anlauf, wir konnten uns aber
nun auf präzise Detailkarten verlassen, die inzwischen wieder erhältlich
waren. Das Kartenstudium zeigte, daß es im Erg Chech ein von Nord nach
Süd durchgehendes Gassi gab, es lag aber zu weit im Westen als das es uns zum
ersten Etappenziel, der seit Jahrhunderten aufgegebenen Salzmine von Terhazza,
hätte bringen können.
Da wir auch den Posten in Hassi Bou Bernous nicht auf uns aufmerksam machen wollten,
wählten wir eine Route, die lediglich zwei Dünenquerungen erforderte und
in südwestlicher Richtung, die ausgedehnte Senke von Grizim querend, auf
direktem Wege nach Terhazza führen sollte. Nach der ersten Dünenbarriere
stießen wir auf die in der Karte eingezeichnete befestigte Piste aus der
Franzosenzeit. Wir beschlossen, ihr zu folgen, obgleich ein dickes Bündel
frischer LKW-Spuren offensichtlich durch ein weiter westlich gelegenes Gassi nach
Süden führte. Dies ließ leichte Dünenpassagen vermuten, was
sich übrigens auch bei unserer Rückfahrt bestätigte.
Dennoch nahmen wir die schwierigere Franzosenpiste, um ein Zusammentreffen mit
Schmuggler-Lastwagen tunlichst zu vermeiden. Zielgerecht steuerte die Piste nach
einigen Kilometern auf die höchste Düne im Umkreis zu. Wir freuten uns
schon, eine superleichte Passage gefunden zu haben, als wir erkennen mußten,
daß die Piste nach ungefähr 80 Höhenmetern unvermittelt in haushohen
Sandverwehungen verschwand! Von der Paßhöhe aus war der Beginn des
nächsten Gassis wenige hundert Metern weiter westlich zu erkennen. Ohne
Einsandung erreichten wir nach etlichen Berg- und Talfahrten über zum
Teil weiche Dünenfelder die weite Ebene.
Bald tauchte die alte Piste wieder auf, der wir zum zweiten 120 Meter hohen
Dünenzug folgten. Diese Querung war schon schwieriger, immerhin waren vier
Kilometer streckenweise steiler Weichsandfelder zu meistern. Inzwischen hatten wir
jedoch volles Zutrauen in unsere schwerbeladenen Fahrzeuge gefaßt und waren
überzeugt, auch diese Hürde problemlos zu überwinden. Zwei Stunden
später hatten wir es tatsächlich geschafft: im glühenden Abendrot
schlugen wir unser Lager am letzten Dünenkamm auf. Vor uns lag die ersehnte
Genußtour, deren fernes Ziel die einsame Oase Oualata in Mauretanien war.
Die folgenden Tage verliefen wie im Traum: unberührter Sand, romantische
Lagerplätze, keine Probleme mit Fahrzeugen und Orientierung.
Links Reste der alten Franzosenpiste im Dünenmeer
hoch über den Gassi des Erg Chech
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Sandbleche ebnen uns den Weg über viele Stufen weichen Sandes
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Terhazza
Wir freuten uns schon auf ein Wiedersehen mit Terhazza. Auf dem Weg dorthin
stellten sich allerdings noch die steinigen Ausläufer des Hank in den Weg.
Mit viel Glück gelang es uns daraufhin, die sumpfige Grizim-Senke zu queren,
ohne darin zu versinken.
Schon aus der Ferne waren gegen Mittag die markanten Kupsten von Terhazza erkennen.
Sie zogen uns magisch an und prompt saßen wir, kurz vor der verdienten
Mittagsrast, im knietiefen, unter der Sanddecke verborgenen Salzsumpf bis zur Achse
fest. Mit vereinten Kräften und vielen Flüchen auf unseren Leichtsinn
gelang es schließlich, das Auto auf festen Untergrund zu retten, bevor es
tiefer versackt wäre.
Terhazza bot sich uns dar wie beim ersten Mal: heiß, stechende Sonne,
beißende Salzkristalle auf der Haut, trotz frischer Autospuren ausgesprochene
Ödnis. Und der Verfall der aus Salztonziegel gemauerten Ruinen schien
unaufhaltsam weiter fortgeschritten zu sein. Im kurzen Schatten der Kupsten
bereiteten wir uns auf das bevorstehende absolute Neuland vor.
Die Kupsten von Terhazza vor Augen, drohen wir im Salzsumpf zu versinken
Der Brunnen von Mejouda
Seit Jahren studierten wir immer wieder das Begleitbuch der Sahara-Ausstellung im
Rautenstrauch-Joest-Museum. Eine Geschichte ging uns dabei nicht aus dem Kopf: Die
Entdeckung eines Karawanendepots aus dem 12. Jahrhundert, bestehend aus hunderten
von Messingbarren. Professor Monod hatte 1964, geleitet von mauretanischen
Führern, in 10-tägigem Fußmarsch von El Ghalawiya aus das
mittelalterliche Lager erreicht.
Wir beschafften uns die Originalliteratur in der Hoffnung, ihr genauere Angaben
zum Fundort entnehmen zu können. In seinem Artikel gesteht Monod aber ein,
daß die Fixierung der Fundortkoordinaten nicht präzise und kaum geeignet
wäre, den Platz an Hand der Beschreibung zu finden. Es war klar, daß
er sich damals nicht mit dem GPS in der Hand auf den Weg gemacht haben konnte.
Dennoch ließen wir uns nicht entmutigen und vertrauten auf unser Glück.
Maden Ijafen liegt abseits aller Touristenrouten in einem wenig bekannten Gebiet
des Leeren Viertels. Interessanterweise, so viel ergaben unsere Nachforschungen,
war in dieser Gegend vor fast 60 Jahren ein Militärkonvoi in unterwegs gewesen,
der eine neue, verläßliche Verbindung von Marokko nach Mauretanien
erkunden sollte. Eines der Markierungsfässer dieser Expedition von Oberst
Trinquet diente in der Wegbeschreibung Monods als Bezugspunkt. Sollte es uns
gelingen, dieses Faß zu finden, stünden die Erfolgschancen unseres
Unternehmens nicht schlecht.
Dank der Weitläufigkeit des Geländes, das nun folgte, war es leicht,
die abends zuvor festgelegte Route einzuhalten. Nach wie vor konnten wir den in
NO-SW-Richtung streichenden Dünenzügen bequem folgen. Unbeschwert
genossen wir die schnelle Fahrt dem Rand der Dünenketten entlang. Kurz vor
dem Brunnen Agaraktem wurde unsere Fahrt jäh von einer kilometerlangen geraden
Steinreihe gestoppt. Wir standen vor der mauretanischen Grenze! In mühevoller
Arbeit mußten von weit her Steinbrocken angeschleppt worden sein, um jedermann
klar zu machen, daß sich der Brunnen auf mauretanischem und nicht etwa auf
malischem Territorium befand!
Ein mächtiger Dünenzug im Westen des Brunnens Agaraktem
Doch der mit zwei Steinmauern geschützte Brunnen war versandet, und so freuten
wir uns auf Mejouda, den vorgeschobenen Stützpunkt der Franzosen in dieser
irrwitzigen Einsamkeit. Zwei riesige Steinmänner machten schon von weitem auf
diesen Ort aufmerksam und wiesen zuverlässig zum einzigen Brunnen weit und
breit, der in fünf Meter Tiefe herrlich klares, wohlschmeckendes Wasser barg.
Natürlich nutzten wir die Gelegenheit, unsere Trinkwasserreserven zu ergänzen
und zum ersten Mal seit dem Start in Tunis die Haare zu waschen.
Die Freude an unserem ungewohnt leichten Haar währte nur kurz. Je weiter wir
nach Süden gelangten, umso heftiger wehte der berüchtigte mauretanische
Wüstenwind. Unter diesen Umständen war nicht daran zu denken, das Auto
zu verlassen, um in einer ausgedehnten Zone kärglicher Vegetation das
versandete Wasserloch von El Mrayer zu suchen. Wasser hatten wir ja genug.
Vor uns lag der Bnaig, eine eindrucksvolle Dünenlandschaft, gebildet aus gewaltigen alten, gerundeten,
gut befahrbaren Dünenrücken, auf denen immer wieder jüngere,
bewegliche Dünenzüge aufgelagert sind. In den südlichen
Ausläufern dieser phantastischen Gegend lag irgendwo in den Dünen
versteckt Maden Ijafen, das Karawanenlager aus dem 12. Jahrhundert.
Phantastische Fahrt durch den Bnaig
Maden Ijafen und das Fass von Padovani
Präzise Navigation war jetzt nötiger denn je zuvor. Mit zunehmender
Heftigkeit des Sandwindes verminderte sich die Sichtweite. Aus der Karte entnahmen
wir die Position jenes Fasses, das uns als Anhalt für die weitere Suche dienen
mußte. Schließlich waren wir ziemlich sicher, genau am richtigen Ort zu
sein, doch weit und breit kein Faß in Sicht! In uns keimte ein Verdacht:
Sollte vielleicht hier in den letzten Jahren eine Expedition durchgekommen sein mit
dem Ziel, den Fund zu bergen? Immerhin hatte Monod dies selbst angeregt. Dann
wäre bei dieser Gelegenheit auch das verräterische Faß gleich mit
beseitigt worden.
Wir schlugen an dieser Stelle erstmal unser Lager auf und analysierten die Lage.
Für die Expeditions-Theorie sprach die Tatsache, daß heute seit vielen
Tagen zum ersten Mal wieder Autospuren für wenige Meter auf festem Untergrund
zu sehen waren. Unsere Position mußte also richtig sein, denn wer sonst sollte
diese Einsamkeit aufsuchen, wenn nicht jemand mit den gleichen Absichten wie wir?
Kaum hatten wir frühzeitig am nächsten Morgen unser Lager abgebaut, setzte
auch schon der obligate Sandwind mit Sichtweiten von wenigen hundert Metern ein.
Wir versuchten, diese Erschwernis durch eine systematische Suche in geordneter
Formation mit unserem Begleitfahrzeug wettzumachen. Die Gegend, die wir
durchkämmten, kam uns sehr vertraut vor. Sie erinnerte stark an jenes
Photo in der Literatur, das den Fundort zeigte. Nur: solche Stellen waren
überall zu finden! Es erschien nun doch sehr unwahrscheinlich, diesen wenig
markanten, flachen Sandhügel zu identifizieren, in dem die Messingbarren
verborgen waren. Nach einem halben Tag vergeblicher Suche mußten wir einsehen,
daß jeder weitere Versuch, die Lagerstätte zu finden, sinnlos gewesen
wäre.
Trotzdem ließen wir die Köpfe nicht hängen, freuten uns,
daß die Fahrzeuge anstandslos liefen und wir bald durch ein Gebiet kämen,
über das, außer in einem Buch von Monod, keine brauchbare Beschreibung
existierte: den Mreyye, das Herzen der Majabat el Koubra, des Leeren Viertels.
Im Mreyye
Mit einer gewissen Neugier und Spannung verließen wir das uns inzwischen so
vertraut gewordene Gebiet des Ijafen und hielten ab jetzt Kurs auf eine auf der
Karte tauglich erscheinende Passage durch den sich von Oualata nach Tichit
erstreckenden Plateaurand. Während im Ijafen reichlich Vegetation in Form
langer, zäher Grasbüschel zu finden war, entwickelte sich im Mreyye, je
weiter wir nach Süden vorstießen, in Mulden zwischen
den geschlängelten Längsdünen und auf deren Rücken eine
regelrechte Markouba, die der exakten Einhaltung der vorbestimmten Richtung
manchmal hinderlich war. So lange wie möglich nutzten wir die festen
Rücken der Dünenzüge, bis wir schließlich, um unsere Richtung
einzuhalten, über bequeme Abfahrten und durch weiche Mulden auf den
nächsten Rücken wechselten.
Weiter im Süden wurden die Mulden steiniger, die Auffahrten steiler, die festen Rücken zunehmend von kleineren
Wanderdünen überlagert. Nach den langen Rennstrecken im Norden boten die
harmlosen Berg- und Talfahrten willkommene Abwechslung. Das plötzliche
Auftauchen des markanten Plateaurests Siouf el Groun direkt vor uns, der als
Wegpunkt ausersehen war, machte Laune, da wir damit die Bestätigung unserer
perfekten Navigation mit dem Kompaß auch in dem zuletzt etwas
unübersichtlichen Gelände erhielten. Leider bedeutete dies aber auch,
daß wir nun das Leere Viertel bald verlassen würden und uns ein neuer
Reiseabschnitt mit unbekannten Herausforderungen bevorstand. Der in den folgenden
Tagen zu bewältigende Abschnitt bis Oualata sollte in der Tat der
mühsamste der gesamten Reise werden.
Vom erhöht liegenden Siouf el Groun hatten wir zum ersten Mal den grandiosen
Blick hinunter auf das Dünenmeer des Aoukar, das bis zum südlichen
Horizont reichte. Wir folgten dem in diesem Bereich wenig ausgeprägten
Plateaurand nach Osten. Immer wieder hatten wir mit niedrigen, aber
teuflisch-weichen Aklédünen zu kämpfen, in denen eine Einsandung
der nächsten folgte.
Heikle Dünenberge östlich Aratane
Bei passender Gelegenheit suchten wir unser Heil in einer Flucht auf das Plateau,
um so den Weg durch die unangenehmen Aklédünen abzukürzen. Doch
weit gefehlt! Oben machten ausgedehnte Aklédünen und endlos erscheinende
Steinfelder das Weiterkommen noch mühsamer. Allmählich dünnten die
Steinfelder aus, die Aklédünen verschwanden und der Plateaurand lag
wieder direkt vor uns. Über eine herrliche Sandfläche rollten unsere
malträtierten Autos sanft zu Tal. Unten ging es zunächst ganz gut weiter.
Zwar stellten sich uns immer wieder kilometerlange Dünenzüge in den Weg,
sie waren aber an ihrem nördlichen Ende, auf halber Höhe des Plateaus,
gut zu umgehen. An diesen Scheitelpunkten genossen wir atemberaubende Blicke in die
Weiten des Aoukar.
Am Rande des Aoukar: Weiche Dünenkämme versperren
den Weg. Wir queren auf halber Höhe des Plateaus.
Teuflisch-weiche Aklédünen
Nach Tagen absoluter Einsamkeit war der unerwartete Anblick grasender Kamele ein Ereignis und zeigte, daß wir der Zivilisation wieder näher kamen. Etwa 20 Kilometer von der Piste Oualata -
Tichit entfernt machten wir Halt und schlugen unser Lager auf. Wir waren sicher,
am nächsten Tag Oualata zu erreichen, sollten uns aber sehr getäuscht
haben. Der Tag zuvor war nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was uns noch
bevorstehen sollte. Gleich am frühen Morgen machten wir uns auf, die in
Sichtweite beginnenden schneeweißen Aklédünen von beachtlicher
Höhe zu queren. Sechs Stunden später waren wir erst 18 Kilometer weit
gekommen. Bewachsene, feinsandige Dünen mit bodenlos tiefen Stellen kosteten
unsere ganze Kraft. Selbst das vorherige Abgehen kritischer Stellen konnte nicht
verhindern, daß wir oft alle verfügbaren Bleche legen mußten, um
uns aus besonders tückischen Sandlöchern in mühevoller Arbeit wieder
zu befreien. Endlich aber war die Piste in Sicht. Die deutlich ausgefahrene Spur schlängelte sich durch steinig-holpriges Gelände dem Fuß des Plateaus
entlang und ließ uns die Strapazen in den Dünen vergessen.
Heimtückische Einsandung in Akledünen
Wir hielten gerade, um einige Fotos zu machen, als sich uns rasch eine Staubfahne
näherte und bald darauf zu unserer großen Überraschung ein
einheimischer Nissan neben uns hielt. Die Besatzung, ein mauretanischer
Touristenführer, ein alter Maure und dessen schwarzer Diener begrüßten
uns freundlich. Sie kamen aus Oualata, wo sie eine Touristengruppe nach
neuntägiger Fahrt von Atar über Chinguetti abgeliefert hatten.
Ungläubig vernahmen wir die Prophezeiung, daß wir noch ganze zwei Tage
bis Oualata benötigen würden. Auch trauten wir unseren Ohren kaum, als
der Führer berichtete, nachdem das Gespräch auf Maden Ijafen gekommen war,
daß Professor Monod zur Zeit wieder mit Kamelen dorthin unterwegs sei;
ob wir ihn wohl getroffen hätten? Das wäre ja ein Ding gewesen! Wir
wünschten gute Heimfahrt und machten uns auf den Weg, immer noch in der
Hoffnung, am Abend Oualata zu erreichen.
Natürlich machten wir uns die Spuren des Nissan zunutze, von dem wir ja
wußten, daß er aus Oualata kam. Aber diese Spuren führten wieder
einmal über einen hohen sandigen Abhang in ziemlich direkter Linie auf das
Plateau. Oben angekommen, das Übliche: Aklédünen, nur unterbrochen
von groben Steinfeldern und Buschvegetation. Aber auch Kamele weideten hier, und
das war wohl der Grund, warum der Maure hier einen Kurzbesuch abstattete! Bald
verloren sich die Nissan-Spuren auf dem felsigen Gelände.
Kurz entschlossen ging es weiter in unserer Richtung in der Hoffnung auf eine
Abfahrt, die uns laut Karte wieder zur Piste unten in der Ebene zurückbringen
sollte. Die Abfahrt war schnell gefunden. Etlichen undeutlichen Spuren folgend
preschten wir den sandigen Steilhang hinunter. Aber da war keine Piste! Die Passage
durch die in der Karte eingezeichnete Schlucht, die in die Ebene hätte
führen sollen, war durch große Felsbrocken total blockiert. Der Abend
nahte schon und wir wollten uns nicht der Ungewißheit aussetzen, ob wir den
Steilhang zurück wohl wieder erklimmen könnten. So gingen wir das Problem
mit Vollgas an und tatsächlich schafften unsere treuen Dieselgefährten
den Rückzug ohne zu murren.
Kaum hatten wir uns am Plateaurand häuslich eingerichtet, bekamen wir Besuch.
Nach den Anstrengungen des Tages waren wir froh, als sich die freundliche aber
sehr aufdringliche Maurenschar mit ihren widerspenstigen Kamelen bei anbrechender
Dunkelheit trollte. Endlich konnte ich mein Mikrofon reparieren, das ich für
die allabendlichen Funkkontakte mit Europa benötigte. Beim Einschlafen kreisten
meine Gedanken ständig um eine passable Abfahrt vom Plateau, die wir morgen
unbedingt finden mußten.
Oualata!
Tatsächlich bot sich uns bald eine schöne, aber steile Abfahrt, die genau
in unserer Richtung auf die Ebene vor dem Plateau führte. Unsere Grazer Freunde
machten lange Gesichter, als wir uns anschickten, hier nach unten abzutauchen.
Denn ihrer Meinung nach verlief die Piste oben auf dem Plateau, schließlich
führten die Nissan-Spuren nicht wieder nach unten. Wir hingegen waren sicher,
daß da unten irgendwo die Piste verlaufen mußte, und wirklich -
wir hatten sie auch bald wieder vor uns. Nun schien alles gelaufen zu sein,
Oualata nur noch eine Sache von Stunden. Nur, das war reines Wunschdenken!
Die Piste war schon lange nicht mehr befahren, immer wieder verschwand sie in frisch
angewehten Aklédünen, denen wir stets rechts auswichen, wohl in der
unbewußten Absicht, dem steinigen Plateau nicht allzu nahe zu kommen. Aber
nichts hätte falscher sein können. Zunächst schien es so, als
befänden wir uns in einer zwar immer enger werdenden, aber doch machbaren
Passage durch ein nicht enden wollendes Dünenfeld. Irgendwann einmal war dann
doch Schluß. Zurückfahren oder eine der niedrigen und harmlos erscheinenden
Akledünen queren? Wie die Entscheidung auch getroffen wurde, sie war falsch.
Wir kamen aus den Dünen nicht mehr heraus. Es wäre besser gewesen, unserem
Instinkt zu vertrauen und direkt am Fuße des Plateaus zu fahren, als
uns weiter draußen durch die Dünen zu kämpfen!
Am Abend hatten wir gerade 144 Kilometer zurückgelegt, die Luftlinienentfernung zu unserem
gestrigen Lagerplatz betrug lächerliche 80 Kilometer. Ganze 60 Kilometer lag
Oualata östlich vor uns. Mit dem Fernglas in der Hand wanderte ich bis zum
Sonnenuntergang über die Dünen, um für den nächsten Morgen
einen Weg aus dieser Falle zu suchen. Spät, aber mit der frohen Botschaft,
eine brauchbare Passage zum Plateaufuß gefunden zu haben, kehrte ich zum
Lager zurück.
Zu meiner eigenen Überraschung erwies sich die abends zuvor entdeckte Passage
als geradezu idealer Weg heraus aus dem sandigen Labyrinth. Ohne irgend ein Problem
standen wir wenige Minuten nach Aufbruch bereits wieder auf freiem Gelände,
freilich direkt am Fuß des Plateaus, das hier - kurz vor Oualata - schon eine
beachtliche Höhe erreicht.
Dhar Oualata
Eine Abfahrtsmöglichkeit war hier nirgendwo
mehr gegeben. Noch ein, zwei Dünenzüge legten sich uns in den Weg, konnten
aber nicht mehr verhindern, daß wir nach einer erholsamen Kaffeepause unter
Akazien gegen Mittag, zwei Tage nach unserer Begegnung mit dem Nissan, stolz in
Oualata Einzug hielten. Der Ort schien wie ausgestorben. Damit entsprach er unseren
Erwartungen, die sich bei der Lektüre verschiedener Reisebücher gebildet
hatten. Unser erster Weg führte zur Gendarmerie, um unsere Anwesenheit zu
melden und den Einreisestempel zu erhalten. Nicht gerade erfreut, in seiner
Mittagsruhe gestört zu werden, kassierte ein Uniformierter die Pässe und
bestellte uns für drei Uhr wieder zu sich. Einreisestempel hatten wir dann zwar
keine. Dafür bestätigte sich nach einem ausgiebigen Spaziergang durch
den liebevoll hergerichteten Ort unsere angenehme Erinnerung an das lohnende
Reiseland Mauretanien.
Rechts im Hintergrund das alte Oualata
Lebhaftes Treiben in den Gassen von Oualata
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Liebevoll restaurierte Hauseingänge
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