Zweitausend Kilometer Sand und Einsamkeit:

Durchs 'Leere Viertel' nach Oualata

© Reinhart Mazur, 1995-2008


Vor fast zehn Jahren standen wir schon einmal an jener Stelle im Norden des Erg Chech. Eine puderweiche Dünenbarriere bedeutete das Aus für unseren mit über 600 Liter Diesel beladenen LandCruiser, dessen neue Spezial-Stoßdämpfer bereits nach kurzer Fahrt auf brutaler Wellblechpiste ihren Geist aufgegeben hatten. Die sich im Süden auftürmenden Sandgebirge ermutigten uns damals nicht gerade, unter diesen Umständen die Weiterfahrt ins Ungewisse zu wagen. Diesmal waren wir dazu aber fest entschlossen...



Durch die Dünen des Erg Chech

Zwar war der Toyota wieder so schwer wie beim ersten Anlauf, wir konnten uns aber nun auf präzise Detailkarten verlassen, die inzwischen wieder erhältlich waren. Das Kartenstudium zeigte, daß es im Erg Chech ein von Nord nach Süd durchgehendes Gassi gab, es lag aber zu weit im Westen als das es uns zum ersten Etappenziel, der seit Jahrhunderten aufgegebenen Salzmine von Terhazza, hätte bringen können.

Da wir auch den Posten in Hassi Bou Bernous nicht auf uns aufmerksam machen wollten, wählten wir eine Route, die lediglich zwei Dünenquerungen erforderte und in südwestlicher Richtung, die ausgedehnte Senke von Grizim querend, auf direktem Wege nach Terhazza führen sollte. Nach der ersten Dünenbarriere stießen wir auf die in der Karte eingezeichnete befestigte Piste aus der Franzosenzeit. Wir beschlossen, ihr zu folgen, obgleich ein dickes Bündel frischer LKW-Spuren offensichtlich durch ein weiter westlich gelegenes Gassi nach Süden führte. Dies ließ leichte Dünenpassagen vermuten, was sich übrigens auch bei unserer Rückfahrt bestätigte.

Dennoch nahmen wir die schwierigere Franzosenpiste, um ein Zusammentreffen mit Schmuggler-Lastwagen tunlichst zu vermeiden. Zielgerecht steuerte die Piste nach einigen Kilometern auf die höchste Düne im Umkreis zu. Wir freuten uns schon, eine superleichte Passage gefunden zu haben, als wir erkennen mußten, daß die Piste nach ungefähr 80 Höhenmetern unvermittelt in haushohen Sandverwehungen verschwand! Von der Paßhöhe aus war der Beginn des nächsten Gassis wenige hundert Metern weiter westlich zu erkennen. Ohne Einsandung erreichten wir nach etlichen Berg- und Talfahrten über zum Teil weiche Dünenfelder die weite Ebene.

Bald tauchte die alte Piste wieder auf, der wir zum zweiten 120 Meter hohen Dünenzug folgten. Diese Querung war schon schwieriger, immerhin waren vier Kilometer streckenweise steiler Weichsandfelder zu meistern. Inzwischen hatten wir jedoch volles Zutrauen in unsere schwerbeladenen Fahrzeuge gefaßt und waren überzeugt, auch diese Hürde problemlos zu überwinden. Zwei Stunden später hatten wir es tatsächlich geschafft: im glühenden Abendrot schlugen wir unser Lager am letzten Dünenkamm auf. Vor uns lag die ersehnte Genußtour, deren fernes Ziel die einsame Oase Oualata in Mauretanien war.

Die folgenden Tage verliefen wie im Traum: unberührter Sand, romantische Lagerplätze, keine Probleme mit Fahrzeugen und Orientierung.


am Einstieg in den Erg Chech
Links Reste der alten Franzosenpiste im Dünenmeer
hoch über den Gassi des Erg Chech

  

mit Sandblechen über die Dünenbarriere
 Sandbleche ebnen uns den Weg über viele
Stufen weichen Sandes




Terhazza

Wir freuten uns schon auf ein Wiedersehen mit Terhazza. Auf dem Weg dorthin stellten sich allerdings noch die steinigen Ausläufer des Hank in den Weg. Mit viel Glück gelang es uns daraufhin, die sumpfige Grizim-Senke zu queren, ohne darin zu versinken.

Schon aus der Ferne waren gegen Mittag die markanten Kupsten von Terhazza erkennen. Sie zogen uns magisch an und prompt saßen wir, kurz vor der verdienten Mittagsrast, im knietiefen, unter der Sanddecke verborgenen Salzsumpf bis zur Achse fest. Mit vereinten Kräften und vielen Flüchen auf unseren Leichtsinn gelang es schließlich, das Auto auf festen Untergrund zu retten, bevor es tiefer versackt wäre.

Terhazza bot sich uns dar wie beim ersten Mal: heiß, stechende Sonne, beißende Salzkristalle auf der Haut, trotz frischer Autospuren ausgesprochene Ödnis. Und der Verfall der aus Salztonziegel gemauerten Ruinen schien unaufhaltsam weiter fortgeschritten zu sein. Im kurzen Schatten der Kupsten bereiteten wir uns auf das bevorstehende absolute Neuland vor.


Terhazza
Die Kupsten von Terhazza vor Augen, drohen wir
im Salzsumpf zu versinken



Der Brunnen von Mejouda

Seit Jahren studierten wir immer wieder das Begleitbuch der Sahara-Ausstellung im Rautenstrauch-Joest-Museum. Eine Geschichte ging uns dabei nicht aus dem Kopf: Die Entdeckung eines Karawanendepots aus dem 12. Jahrhundert, bestehend aus hunderten von Messingbarren. Professor Monod hatte 1964, geleitet von mauretanischen Führern, in 10-tägigem Fußmarsch von El Ghalawiya aus das mittelalterliche Lager erreicht.

Wir beschafften uns die Originalliteratur in der Hoffnung, ihr genauere Angaben zum Fundort entnehmen zu können. In seinem Artikel gesteht Monod aber ein, daß die Fixierung der Fundortkoordinaten nicht präzise und kaum geeignet wäre, den Platz an Hand der Beschreibung zu finden. Es war klar, daß er sich damals nicht mit dem GPS in der Hand auf den Weg gemacht haben konnte. Dennoch ließen wir uns nicht entmutigen und vertrauten auf unser Glück.

Maden Ijafen liegt abseits aller Touristenrouten in einem wenig bekannten Gebiet des Leeren Viertels. Interessanterweise, so viel ergaben unsere Nachforschungen, war in dieser Gegend vor fast 60 Jahren ein Militärkonvoi in unterwegs gewesen, der eine neue, verläßliche Verbindung von Marokko nach Mauretanien erkunden sollte. Eines der Markierungsfässer dieser Expedition von Oberst Trinquet diente in der Wegbeschreibung Monods als Bezugspunkt. Sollte es uns gelingen, dieses Faß zu finden, stünden die Erfolgschancen unseres Unternehmens nicht schlecht.

Dank der Weitläufigkeit des Geländes, das nun folgte, war es leicht, die abends zuvor festgelegte Route einzuhalten. Nach wie vor konnten wir den in NO-SW-Richtung streichenden Dünenzügen bequem folgen. Unbeschwert genossen wir die schnelle Fahrt dem Rand der Dünenketten entlang. Kurz vor dem Brunnen Agaraktem wurde unsere Fahrt jäh von einer kilometerlangen geraden Steinreihe gestoppt. Wir standen vor der mauretanischen Grenze! In mühevoller Arbeit mußten von weit her Steinbrocken angeschleppt worden sein, um jedermann klar zu machen, daß sich der Brunnen auf mauretanischem und nicht etwa auf malischem Territorium befand!


Agaraktem
Ein mächtiger Dünenzug im Westen des Brunnens
Agaraktem



Doch der mit zwei Steinmauern geschützte Brunnen war versandet, und so freuten wir uns auf Mejouda, den vorgeschobenen Stützpunkt der Franzosen in dieser irrwitzigen Einsamkeit. Zwei riesige Steinmänner machten schon von weitem auf diesen Ort aufmerksam und wiesen zuverlässig zum einzigen Brunnen weit und breit, der in fünf Meter Tiefe herrlich klares, wohlschmeckendes Wasser barg. Natürlich nutzten wir die Gelegenheit, unsere Trinkwasserreserven zu ergänzen und zum ersten Mal seit dem Start in Tunis die Haare zu waschen.

Die Freude an unserem ungewohnt leichten Haar währte nur kurz. Je weiter wir nach Süden gelangten, umso heftiger wehte der berüchtigte mauretanische Wüstenwind. Unter diesen Umständen war nicht daran zu denken, das Auto zu verlassen, um in einer ausgedehnten Zone kärglicher Vegetation das versandete Wasserloch von El Mrayer zu suchen. Wasser hatten wir ja genug.

Vor uns lag der Bnaig, eine eindrucksvolle Dünenlandschaft, gebildet aus gewaltigen alten, gerundeten, gut befahrbaren Dünenrücken, auf denen immer wieder jüngere, bewegliche Dünenzüge aufgelagert sind. In den südlichen Ausläufern dieser phantastischen Gegend lag irgendwo in den Dünen versteckt Maden Ijafen, das Karawanenlager aus dem 12. Jahrhundert.


im Bnaig, Mauretanien
Phantastische Fahrt durch den Bnaig


Maden Ijafen und das Fass von Padovani

Präzise Navigation war jetzt nötiger denn je zuvor. Mit zunehmender Heftigkeit des Sandwindes verminderte sich die Sichtweite. Aus der Karte entnahmen wir die Position jenes Fasses, das uns als Anhalt für die weitere Suche dienen mußte. Schließlich waren wir ziemlich sicher, genau am richtigen Ort zu sein, doch weit und breit kein Faß in Sicht! In uns keimte ein Verdacht: Sollte vielleicht hier in den letzten Jahren eine Expedition durchgekommen sein mit dem Ziel, den Fund zu bergen? Immerhin hatte Monod dies selbst angeregt. Dann wäre bei dieser Gelegenheit auch das verräterische Faß gleich mit beseitigt worden.

Wir schlugen an dieser Stelle erstmal unser Lager auf und analysierten die Lage. Für die Expeditions-Theorie sprach die Tatsache, daß heute seit vielen Tagen zum ersten Mal wieder Autospuren für wenige Meter auf festem Untergrund zu sehen waren. Unsere Position mußte also richtig sein, denn wer sonst sollte diese Einsamkeit aufsuchen, wenn nicht jemand mit den gleichen Absichten wie wir?

Kaum hatten wir frühzeitig am nächsten Morgen unser Lager abgebaut, setzte auch schon der obligate Sandwind mit Sichtweiten von wenigen hundert Metern ein. Wir versuchten, diese Erschwernis durch eine systematische Suche in geordneter Formation mit unserem Begleitfahrzeug wettzumachen. Die Gegend, die wir durchkämmten, kam uns sehr vertraut vor. Sie erinnerte stark an jenes Photo in der Literatur, das den Fundort zeigte. Nur: solche Stellen waren überall zu finden! Es erschien nun doch sehr unwahrscheinlich, diesen wenig markanten, flachen Sandhügel zu identifizieren, in dem die Messingbarren verborgen waren. Nach einem halben Tag vergeblicher Suche mußten wir einsehen, daß jeder weitere Versuch, die Lagerstätte zu finden, sinnlos gewesen wäre.

Trotzdem ließen wir die Köpfe nicht hängen, freuten uns, daß die Fahrzeuge anstandslos liefen und wir bald durch ein Gebiet kämen, über das, außer in einem Buch von Monod, keine brauchbare Beschreibung existierte: den Mreyye, das Herzen der Majabat el Koubra, des Leeren Viertels.



Im Mreyye

Mit einer gewissen Neugier und Spannung verließen wir das uns inzwischen so vertraut gewordene Gebiet des Ijafen und hielten ab jetzt Kurs auf eine auf der Karte tauglich erscheinende Passage durch den sich von Oualata nach Tichit erstreckenden Plateaurand. Während im Ijafen reichlich Vegetation in Form langer, zäher Grasbüschel zu finden war, entwickelte sich im Mreyye, je weiter wir nach Süden vorstießen, in Mulden zwischen den geschlängelten Längsdünen und auf deren Rücken eine regelrechte Markouba, die der exakten Einhaltung der vorbestimmten Richtung manchmal hinderlich war. So lange wie möglich nutzten wir die festen Rücken der Dünenzüge, bis wir schließlich, um unsere Richtung einzuhalten, über bequeme Abfahrten und durch weiche Mulden auf den nächsten Rücken wechselten.

Weiter im Süden wurden die Mulden steiniger, die Auffahrten steiler, die festen Rücken zunehmend von kleineren Wanderdünen überlagert. Nach den langen Rennstrecken im Norden boten die harmlosen Berg- und Talfahrten willkommene Abwechslung. Das plötzliche Auftauchen des markanten Plateaurests Siouf el Groun direkt vor uns, der als Wegpunkt ausersehen war, machte Laune, da wir damit die Bestätigung unserer perfekten Navigation mit dem Kompaß auch in dem zuletzt etwas unübersichtlichen Gelände erhielten. Leider bedeutete dies aber auch, daß wir nun das Leere Viertel bald verlassen würden und uns ein neuer Reiseabschnitt mit unbekannten Herausforderungen bevorstand. Der in den folgenden Tagen zu bewältigende Abschnitt bis Oualata sollte in der Tat der mühsamste der gesamten Reise werden.

Vom erhöht liegenden Siouf el Groun hatten wir zum ersten Mal den grandiosen Blick hinunter auf das Dünenmeer des Aoukar, das bis zum südlichen Horizont reichte. Wir folgten dem in diesem Bereich wenig ausgeprägten Plateaurand nach Osten. Immer wieder hatten wir mit niedrigen, aber teuflisch-weichen Aklédünen zu kämpfen, in denen eine Einsandung der nächsten folgte.


SO Aratane
Heikle Dünenberge östlich Aratane


Bei passender Gelegenheit suchten wir unser Heil in einer Flucht auf das Plateau, um so den Weg durch die unangenehmen Aklédünen abzukürzen. Doch weit gefehlt! Oben machten ausgedehnte Aklédünen und endlos erscheinende Steinfelder das Weiterkommen noch mühsamer. Allmählich dünnten die Steinfelder aus, die Aklédünen verschwanden und der Plateaurand lag wieder direkt vor uns. Über eine herrliche Sandfläche rollten unsere malträtierten Autos sanft zu Tal. Unten ging es zunächst ganz gut weiter. Zwar stellten sich uns immer wieder kilometerlange Dünenzüge in den Weg, sie waren aber an ihrem nördlichen Ende, auf halber Höhe des Plateaus, gut zu umgehen. An diesen Scheitelpunkten genossen wir atemberaubende Blicke in die Weiten des Aoukar.


am Nordrand des Aoukar
Am Rande des Aoukar:
Weiche Dünenkämme versperren den Weg.
Wir queren auf halber Höhe des Plateaus.




Teuflisch-weiche Aklédünen

Nach Tagen absoluter Einsamkeit war der unerwartete Anblick grasender Kamele ein Ereignis und zeigte, daß wir der Zivilisation wieder näher kamen. Etwa 20 Kilometer von der Piste Oualata - Tichit entfernt machten wir Halt und schlugen unser Lager auf. Wir waren sicher, am nächsten Tag Oualata zu erreichen, sollten uns aber sehr getäuscht haben. Der Tag zuvor war nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was uns noch bevorstehen sollte. Gleich am frühen Morgen machten wir uns auf, die in Sichtweite beginnenden schneeweißen Aklédünen von beachtlicher Höhe zu queren. Sechs Stunden später waren wir erst 18 Kilometer weit gekommen. Bewachsene, feinsandige Dünen mit bodenlos tiefen Stellen kosteten unsere ganze Kraft. Selbst das vorherige Abgehen kritischer Stellen konnte nicht verhindern, daß wir oft alle verfügbaren Bleche legen mußten, um uns aus besonders tückischen Sandlöchern in mühevoller Arbeit wieder zu befreien. Endlich aber war die Piste in Sicht. Die deutlich ausgefahrene Spur schlängelte sich durch steinig-holpriges Gelände dem Fuß des Plateaus entlang und ließ uns die Strapazen in den Dünen vergessen.


typische Einsandung in den Akledünen
Heimtückische Einsandung in Akledünen


Wir hielten gerade, um einige Fotos zu machen, als sich uns rasch eine Staubfahne näherte und bald darauf zu unserer großen Überraschung ein einheimischer Nissan neben uns hielt. Die Besatzung, ein mauretanischer Touristenführer, ein alter Maure und dessen schwarzer Diener begrüßten uns freundlich. Sie kamen aus Oualata, wo sie eine Touristengruppe nach neuntägiger Fahrt von Atar über Chinguetti abgeliefert hatten.

Ungläubig vernahmen wir die Prophezeiung, daß wir noch ganze zwei Tage bis Oualata benötigen würden. Auch trauten wir unseren Ohren kaum, als der Führer berichtete, nachdem das Gespräch auf Maden Ijafen gekommen war, daß Professor Monod zur Zeit wieder mit Kamelen dorthin unterwegs sei; ob wir ihn wohl getroffen hätten? Das wäre ja ein Ding gewesen! Wir wünschten gute Heimfahrt und machten uns auf den Weg, immer noch in der Hoffnung, am Abend Oualata zu erreichen.

Natürlich machten wir uns die Spuren des Nissan zunutze, von dem wir ja wußten, daß er aus Oualata kam. Aber diese Spuren führten wieder einmal über einen hohen sandigen Abhang in ziemlich direkter Linie auf das Plateau. Oben angekommen, das Übliche: Aklédünen, nur unterbrochen von groben Steinfeldern und Buschvegetation. Aber auch Kamele weideten hier, und das war wohl der Grund, warum der Maure hier einen Kurzbesuch abstattete! Bald verloren sich die Nissan-Spuren auf dem felsigen Gelände.

Kurz entschlossen ging es weiter in unserer Richtung in der Hoffnung auf eine Abfahrt, die uns laut Karte wieder zur Piste unten in der Ebene zurückbringen sollte. Die Abfahrt war schnell gefunden. Etlichen undeutlichen Spuren folgend preschten wir den sandigen Steilhang hinunter. Aber da war keine Piste! Die Passage durch die in der Karte eingezeichnete Schlucht, die in die Ebene hätte führen sollen, war durch große Felsbrocken total blockiert. Der Abend nahte schon und wir wollten uns nicht der Ungewißheit aussetzen, ob wir den Steilhang zurück wohl wieder erklimmen könnten. So gingen wir das Problem mit Vollgas an und tatsächlich schafften unsere treuen Dieselgefährten den Rückzug ohne zu murren.

Kaum hatten wir uns am Plateaurand häuslich eingerichtet, bekamen wir Besuch. Nach den Anstrengungen des Tages waren wir froh, als sich die freundliche aber sehr aufdringliche Maurenschar mit ihren widerspenstigen Kamelen bei anbrechender Dunkelheit trollte. Endlich konnte ich mein Mikrofon reparieren, das ich für die allabendlichen Funkkontakte mit Europa benötigte. Beim Einschlafen kreisten meine Gedanken ständig um eine passable Abfahrt vom Plateau, die wir morgen unbedingt finden mußten.



Oualata!

Tatsächlich bot sich uns bald eine schöne, aber steile Abfahrt, die genau in unserer Richtung auf die Ebene vor dem Plateau führte. Unsere Grazer Freunde machten lange Gesichter, als wir uns anschickten, hier nach unten abzutauchen. Denn ihrer Meinung nach verlief die Piste oben auf dem Plateau, schließlich führten die Nissan-Spuren nicht wieder nach unten. Wir hingegen waren sicher, daß da unten irgendwo die Piste verlaufen mußte, und wirklich - wir hatten sie auch bald wieder vor uns. Nun schien alles gelaufen zu sein, Oualata nur noch eine Sache von Stunden. Nur, das war reines Wunschdenken!

Die Piste war schon lange nicht mehr befahren, immer wieder verschwand sie in frisch angewehten Aklédünen, denen wir stets rechts auswichen, wohl in der unbewußten Absicht, dem steinigen Plateau nicht allzu nahe zu kommen. Aber nichts hätte falscher sein können. Zunächst schien es so, als befänden wir uns in einer zwar immer enger werdenden, aber doch machbaren Passage durch ein nicht enden wollendes Dünenfeld. Irgendwann einmal war dann doch Schluß. Zurückfahren oder eine der niedrigen und harmlos erscheinenden Akledünen queren? Wie die Entscheidung auch getroffen wurde, sie war falsch. Wir kamen aus den Dünen nicht mehr heraus. Es wäre besser gewesen, unserem Instinkt zu vertrauen und direkt am Fuße des Plateaus zu fahren, als uns weiter draußen durch die Dünen zu kämpfen!

Am Abend hatten wir gerade 144 Kilometer zurückgelegt, die Luftlinienentfernung zu unserem gestrigen Lagerplatz betrug lächerliche 80 Kilometer. Ganze 60 Kilometer lag Oualata östlich vor uns. Mit dem Fernglas in der Hand wanderte ich bis zum Sonnenuntergang über die Dünen, um für den nächsten Morgen einen Weg aus dieser Falle zu suchen. Spät, aber mit der frohen Botschaft, eine brauchbare Passage zum Plateaufuß gefunden zu haben, kehrte ich zum Lager zurück.

Zu meiner eigenen Überraschung erwies sich die abends zuvor entdeckte Passage als geradezu idealer Weg heraus aus dem sandigen Labyrinth. Ohne irgend ein Problem standen wir wenige Minuten nach Aufbruch bereits wieder auf freiem Gelände, freilich direkt am Fuß des Plateaus, das hier - kurz vor Oualata - schon eine beachtliche Höhe erreicht.


Dhar Oualata
Dhar Oualata


Eine Abfahrtsmöglichkeit war hier nirgendwo mehr gegeben. Noch ein, zwei Dünenzüge legten sich uns in den Weg, konnten aber nicht mehr verhindern, daß wir nach einer erholsamen Kaffeepause unter Akazien gegen Mittag, zwei Tage nach unserer Begegnung mit dem Nissan, stolz in Oualata Einzug hielten. Der Ort schien wie ausgestorben. Damit entsprach er unseren Erwartungen, die sich bei der Lektüre verschiedener Reisebücher gebildet hatten. Unser erster Weg führte zur Gendarmerie, um unsere Anwesenheit zu melden und den Einreisestempel zu erhalten. Nicht gerade erfreut, in seiner Mittagsruhe gestört zu werden, kassierte ein Uniformierter die Pässe und bestellte uns für drei Uhr wieder zu sich. Einreisestempel hatten wir dann zwar keine. Dafür bestätigte sich nach einem ausgiebigen Spaziergang durch den liebevoll hergerichteten Ort unsere angenehme Erinnerung an das lohnende Reiseland Mauretanien.


Oualata
Rechts im Hintergrund das alte Oualata


in den Gassen von Oualata
Lebhaftes Treiben in den Gassen
von Oualata

Hauseingang in Oualata
Liebevoll restaurierte Hauseingänge




Reiseberichte Reiseliste Sahara