Von Tazerbo nach Abeche

Am Rande der Depression von Mourdi

© Reinhart Mazur, 2000-2008

Der nachfolgende Bericht erschien erstmals 2000 auf Englisch in Chris Scotts 'SAHARA Overland' Reiseführer (pp. 483-486).

Chris Scott: SAHARA Abenteuerhandbuch



Unser kurzer Aufenthalt in Tazerbo verlief wie immer reibungslos: routiniert und freundlich die Registrierung bei der Polizei gegenüber dem Richtfunkturm und zum Abschied noch die Einladung zum Tee beim Amtsvorsteher. Gerne akzeptierten wir sein Angebot, an der offiziell geschlossenen Tankstelle unsere Dieselvorräte zu ergänzen. Gleich neben an, bei der Feuerwehr, füllten wir aus der Great-Man-Made-River-Project-Wasserleitung die leeren Kanister mit klarem, wohlschmeckendem Wasser. Wir waren also mit allem gut versorgt und konnten uns somit auf die nächste Etappe machen, deren Endpunkt Abeche rund Zweitausend Kilometer weiter südlich im tschadischen Ouadai lag.



Durch die Rebiana Sandsee

Von früheren Fahrten durch die Rebiana Sandsee waren uns einige sehr weiche Dünenpassagen in unangenehmer Erinnerung. Wir beschlossen also, die Sandsee an ihrer schmälsten Stelle nach Süden zu queren (Startpunkt: N24°50' E21°15'). Während wir sechs Monate zuvor auf einer 10 km weiter östlich gelegenen Passage einen ganzen Tag schuften mußten, um am Abend nur 30 km weitergekommen zu sein, lief diesmal alles glatt!

Schon am Nachmittag waren die ersten Ausläufer des Jebel Nerastro in Sicht. Hier (N24°38' E21°10') liefen mehrere Spuren zusammen und bildeten in der Folge eine ausgefahrene Piste in Richtung Süd. Am nächsten Morgen waren wir schon um 6 Uhr auf den Beinen und guten Mutes, den Tschad bis zum Abend erreicht zu haben. Die Piste erwies sich als schnell und bequem und bot ein eindrucksvolles Panorama: die düster-schwarzen Berge des Dohone im Westen bis zu den gleißenden Dünen im Osten.

Unsere unbeschwerte Fahrt in den Tschad nahm eine unerwartete Wendung, als wir im Rückspiegel eine Staubfahne bemerkten, die sich uns rasch näherte. Es dauerte dann nur mehr ein paar Minuten, bis wir von einem Toyota Pick-up eingeholt und gestoppt wurden. Das war's wohl gewesen, dachten wir sofort. Es stellte sich aber heraus, daß die Zollstreife auf der Suche nach Schmugglern war und uns nur davor warnen wollte, auf tschadisches Gebiet zu geraten, das nicht mehr allzu weit entfernt war. Wir versicherten, auf dem Wege nach Kufra zu sein und konnten unsere Fahrt fortsetzen.


am westlichen Dohone-Rand
Gut versteckt in einer Mulde (Dohone im Dunst)


Wir waren nun auf der Hut, da wir wußten, daß Patrouillen unterwegs waren, die unserem Vorhaben, ins Ennedi und nach Abeche zu gelangen, ein abruptes Ende setzen konnten. So beschlossen wir also, die Piste zu verlassen und einige Kilometer westlich ein gutes Versteck als Übernachtungsplatz zu suchen, wohl wissend, daß es ein leichtes gewesen wäre, unseren Spuren dorthin zu folgen.



Über die Grenze

Nach ruhiger Nacht ging es im Laufe des Vormittags dann unbeobachtet über die Grenze. Unsere Nerven wurden auf eine arge Probe gestellt, als wir etwa fünf Kilometer südlich des Grenzverlaufs in der Ferne eine Ansammlung riesiger Objekte entdeckten, die im Fernglas den Eindruck von Militär-Lkws erweckten, sich bei Näherkommen glücklicherweise aber als Gruppe mächtiger Akazien entpuppte - ziemlich ungewöhnlich in dieser sandigen Einöde.

Unser erstes Ziel im Tschad sollte Unianga Kebir sein, das wir möglichst direkt über das Unianga nördlich vorgelagerte Plateau erreichen wollten. Wir verließen also eine der vielen Pisten, die nach Gouro führten und suchten uns einen Weg durch das freie Gelände, bis wir die kleinen Seen von Uniange Serir direkt zu unseren Füßen im Süden liegen sahen.


die Seen von Unianga Serir
Vor uns im Süden die Seen von Unianga Serir


Auf den folgenden 500km gab es keine Spuren, es schien, als wären wir die ersten Menschen in dieser Einsamkeit. Das Plateau erwies sich in zunehmendem Maße als derart steinig, daß wir die Richtung wechselten und Tekro anfuhren. In Sichtweite des Forts bogen wir nach Süden und erreichten die Hauptpiste Kufra-Faya. Auf den restlichen 70 Kilometern bis Unianga Kebir kamen uns einige Sattelschlepper entgegen, voller Menschen, die sich in Libyen Arbeit und ein besseres Leben erhofften.



Wunder der Wüste: die Seen von Unianga

Je mehr wir uns Unianga Kebir näherten, umso heftiger wurde der Sandsturm. Da wir einer ausgefahrenen Piste am Fuße des Unianga-Plateaus folgten, bestand keine Gefahr, sich zu verirren. Nach einer halben Umrundung des Lac Yoa mit seinem tiefblauen Wasser und den saftig-grünen Palmgärten an seinen Ufern führte uns diese Piste direkt auf den desolat erscheinenden Marktplatz des Ortes. Wir meldeten uns sogleich bei der Polizei, die unsere Pässe kassierte und wissen wollte, welches unser nächstes Reiseziel wäre. Als wir Fada nannten, wurden wir darauf hingewiesen, daß hierzu ein Führer notwendig wäre, den uns die Polizei besorgen würde. Wir kannten diese Praktiken schon und wußten, daß es sich bei den Führern in der Regel lediglich um Leute handelt, die auf eine bequeme Transportmöglichkeit warteten. Wir waren aber dennoch überrascht, als wir erfuhren, welch exorbitant hohen Preis wir diesmal für die Dienste des 'Führers' auf dieser dreitägigen Tour über Unianga Serir und Madadi nach Fada zu bezahlen hätten.

Die Wartezeit auf unseren Führer nutzten wir damit, klares Wasser aus einer Quelle direkt neben dem stark salzhaltigen, veralgten See zu schöpfen und am Markt ein Faß Diesel zu kaufen (70.000 CFA). Auch hatten wir Glück mit dem Geldwechsel: ein freundlicher libyscher Lkw-Fahrer tauschte die restlichen libyschen Dinar in CFA.



Madadi und die Dünen von Koraa

Hali sollte unser Führer sein. Er war ein junger, drahtiger Mann, der nicht murrte, als er sich zwischen unsere Sitze zwängen mußte. Ohne den kurz vor unserer Abfahrt in Europa erworbenen Dachgepäckträger wäre es aber nahezu unmöglich gewesen, seine Unmengen an Gepäck und einen extra 50-kg-Zuckersack zu transportieren. Es stellte sich heraus, daß Hali ein angenehmer und zuverlässiger Führer war.


Koraa, Mourdi
Führer Hali, nahe den Dünen von Koraa, Mourdi


Zunächst ging es zu den berühmten Seen von Unianga Serir, die wir schon einige Tage zuvor vom nördlichen Plateaurand aus erblickt hatten. Eine bergige Region im Sandsturm querend erreichten wir die idyllische Oase Madadi mit ihrem alten französischen Fort. Immer unerträglicher wurde der Sturm. Das warme Essen mußte deswegen am Abend ausfallen. Hali hatte sich mit Mestemacher-Dosenbrot und einer Fischkonserve zu begnügen - wie auch wir. Am nächsten Morgen zogen wir es vor, die 50 Meter hohen Dünen von Koraa (N17°52' E20°40') zu queren, um so eine verminte Engstelle im Pistenverlauf zu umgehen. Ohne Hali wären wir gewiß in die verminte Passage geraten. Noch immer ließ der Sandsturm nicht nach, ganz im Gegenteil. So suchten wir also Schutz hinter mächtigen Granitblöcken in der Nähe des Brunnen von Mogoro.


Ennedi: Sandsturm
Ennedi: kurze Aufhellung im ewigen Sandsturm


Wenn er auch Unmengen von Gepäck mit sich führte, so machte Hali dieses Manko durch sein enormes Orientierungsvermögen wieder wett. Wir waren doch sehr beeindruckt, wie er bei diesen miserablen Sichtbedingungen den richtigen Weg fand. So konnten wir ihm also tatsächlich vertrauen - und mußten dies aber auch, da er während der Fahrt auf dem in einer Konsole fest eingebauten GPS saß und dieser nur jede halbe Stunde bei extra anberaumten Pausen kontrolliert werden konnte. Immer wieder tauchten neben uns in den Wolken aus Sand und Staub zerstörte Militärlastwagen und Panzer auf und wir fragten uns, was wohl die Ursache ihres Verderbens war: Raketen oder Minen?


NW-Ennedi-Ausläufer
Allmählich nähern wir uns dem Ennedi


Allmählich näherten wir uns dem Ennedi. Der Sturm ließ nach und wir waren überrascht von der baumreichen Oase Oum el Adam. Hier sahen wir die ersten Menschen seit Unianga. Die Landschaft weitete sich und vor uns tat sich ein wunderbares Panorama auf: mächtige, rote Bergspitzen, die sich aus einer weißen, mit Gras bewachsenen Ebene erhoben. Dann trafen wir bei N17°12, E21°13' auf die stark befahrene, von Faya und Ouadi Doum kommende Piste. Knapp 20 km später gelangten wir zum Pistenabzweig nach Kalait und Abeche (N17°12,3' E21°23,8'). Nach weiteren 5 km schlängelte sich die Piste durch eine felsige Hügellandschaft. Hali warnte uns vor Minen rechts und links der Piste, denen schon einige Fahrzeuge zum Opfer gefallen waren.


Seleba
Seleba, 20 km NW Fada


Idyllisches Fada

Angekommen in Fada, dessen Erscheinung eher einem Dorf als einer Provinzhauptstadt glich, führte unser erster Weg natürlich zur Polizei. 'Wo ist Ihre Erlaubnis?' war die knappe Begrüßung. Wir hatten keine 'Permission', wir hatten einen Führer. Aber das sollte nicht reichen. Also mußten wir uns zum Sous Prefet begeben, der gerade sein Mittagsschläfchen unter einem schattenspendenden Baum am Rande eines nahezu leeren Swimmingpools hielt. Nach einer freundlichen Begrüßung fragte auch er uns nach der Autorisation de Circuler. Sollten wir keine haben, so müsse er sich per Funk an seine vorgesetzte Dienststelle, die Prefäktur von Faya wenden, um sich von dort Anweisungen für das weitere Vorgehen zu holen. Auf jeden Fall würden wir nach Faya fahren müssen, um die Fahrgenehmigung bei der Prefäktur für die Region B.E.T. zu beantragen. Der Sous Prefet war ein freundlicher, gebildeter Herr, der die Anliegen der Touristen sehr wohl verstand, was ihn aber nicht daran hinderte, den Anweisungen seines Ministeriums in N'Djamena Folge zu leisten. Er lud uns ein, im Garten der Sous Prefecture zu campieren und mit ihm zu Abend zu essen. Dabei konnten wir ihm viele Fragen über den Tschad stellen. Es war ihm ein Anliegen, uns eindringlich vor der Minengefahr im nördlichen Tschad zu warnen. Er wusste, wovon er sprach: bei einer Fahrt auf der Hauptpiste von Gouro nach Unianga Kebir geriet er auf eine Mine, die seinen Fuß zerfetzte.


Hauptplatz von Fada
Hauptplatz von Fada


Es schien unumgänglich, wir mußten zurück nach Faya (mit einem teuren Führer natürlich), um uns dort die Fahrerlaubnis zu holen. Obwohl wir genügend Zeit gehabt hätten, wollten wir dies nicht, vielmehr hätten wir es vorgezogen, unsere Fahrt nach Abeche fortzusetzen. Dabei hätten wir akzeptiert, daß der Besuch des Ennedi ohne Genehmigung nicht möglich gewesen wäre. Nach einigen Tagen wurde uns tatsächlich gestattet, ohne die obligatorische Genehmigung, aber mit Führer, nach Abeche weiterzufahren.



'Abdulaye' Peter Benz

Normalerweise wird diese 550 km lange Strecke von den Einheimischen in einem Tag zurückgelegt. Wir ließen uns aber Zeit und kamen erst am dritten Tag dort an. In Kalait trafen wir auf einen unangenehmen Polizisten, der uns erst nach Abgabe eines cadeau weiterfahren ließ. Je weiter wir nach Süden kamen,umso deutlicher wurde, daß wir die Wüste hinter uns gelassen hatten und uns dem Sahel und Schwarzafrika näherten. Said Nemtchi, unser junger Führer, lebte wieder so richtig auf, hier in seiner Heimat Ouadai. Typisch Ouadai, meinte er, als wir in Arada und Biltine nur auf freundliche und nette Menschen stießen. Die Landschaft wurde pittoresk, wilde Berge verstreut in weiten Ebenen, durch die prächtige Rinderherden zogen. In Abeche dann wieder die 'Zivilisation': Ein quirliger Markt, die GTZ, amerikanische Missionare und eine Oase der Ruhe und Geborgenheit bei Abdulaye Peter Benz, einem Schweizer Chirurgen, der hier schon seit Jahren mit seiner tschadischen Frau lebt und arbeitet. Seit Wochen konnten wir erstmals wieder Deutsch sprechen und vieles über diese wilde Gegend des Tschad erfahren.



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