Der nachfolgende Bericht erschien erstmals 2000 auf Englisch in Chris
Scotts 'SAHARA Overland' Reiseführer (pp. 483-486).
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Unser kurzer Aufenthalt in Tazerbo verlief wie immer reibungslos: routiniert und
freundlich die Registrierung bei der Polizei gegenüber dem Richtfunkturm und
zum Abschied noch die Einladung zum Tee beim Amtsvorsteher. Gerne akzeptierten wir
sein Angebot, an der offiziell geschlossenen Tankstelle unsere Dieselvorräte
zu ergänzen. Gleich neben an, bei der Feuerwehr, füllten wir aus der
Great-Man-Made-River-Project-Wasserleitung die leeren Kanister mit klarem,
wohlschmeckendem Wasser. Wir waren also mit allem gut versorgt und konnten uns
somit auf die nächste Etappe machen, deren Endpunkt Abeche rund Zweitausend
Kilometer weiter südlich im tschadischen Ouadai lag.
Durch die Rebiana Sandsee
Von früheren Fahrten durch die Rebiana Sandsee waren uns einige sehr weiche
Dünenpassagen in unangenehmer Erinnerung. Wir beschlossen also, die Sandsee
an ihrer schmälsten Stelle nach Süden zu queren (Startpunkt:
N24°50' E21°15'). Während wir sechs Monate zuvor auf einer 10 km
weiter östlich gelegenen Passage einen ganzen Tag schuften mußten, um
am Abend nur 30 km weitergekommen zu sein, lief diesmal alles glatt!
Schon am Nachmittag waren die ersten Ausläufer des Jebel Nerastro in Sicht.
Hier (N24°38' E21°10') liefen mehrere Spuren zusammen und bildeten in der
Folge eine ausgefahrene Piste in Richtung Süd. Am nächsten Morgen waren
wir schon um 6 Uhr auf den Beinen und guten Mutes, den Tschad bis zum Abend erreicht
zu haben. Die Piste erwies sich als schnell und bequem und bot ein eindrucksvolles
Panorama: die düster-schwarzen Berge des Dohone im Westen bis zu den
gleißenden Dünen im Osten.
Unsere unbeschwerte Fahrt in den Tschad nahm eine unerwartete Wendung, als wir im
Rückspiegel eine Staubfahne bemerkten, die sich uns rasch näherte. Es
dauerte dann nur mehr ein paar Minuten, bis wir von einem Toyota Pick-up eingeholt
und gestoppt wurden. Das war's wohl gewesen, dachten wir sofort. Es stellte sich
aber heraus, daß die Zollstreife auf der Suche nach Schmugglern war und uns
nur davor warnen wollte, auf tschadisches Gebiet zu geraten, das nicht mehr allzu
weit entfernt war. Wir versicherten, auf dem Wege nach Kufra zu sein und konnten
unsere Fahrt fortsetzen.
Gut versteckt in einer Mulde (Dohone im Dunst)
Wir waren nun auf der Hut, da wir wußten, daß Patrouillen unterwegs
waren, die unserem Vorhaben, ins Ennedi und nach Abeche zu gelangen, ein abruptes
Ende setzen konnten. So beschlossen wir also, die Piste zu verlassen und einige
Kilometer westlich ein gutes Versteck als Übernachtungsplatz zu suchen, wohl
wissend, daß es ein leichtes gewesen wäre, unseren Spuren dorthin zu
folgen.
Über die Grenze
Nach ruhiger Nacht ging es im Laufe des Vormittags dann unbeobachtet über
die Grenze. Unsere Nerven wurden auf eine arge Probe gestellt, als wir etwa
fünf Kilometer südlich des Grenzverlaufs in der Ferne eine Ansammlung
riesiger Objekte entdeckten, die im Fernglas den Eindruck von Militär-Lkws
erweckten, sich bei Näherkommen glücklicherweise aber als Gruppe
mächtiger Akazien entpuppte - ziemlich ungewöhnlich in dieser sandigen
Einöde.
Unser erstes Ziel im Tschad sollte Unianga Kebir sein, das wir möglichst direkt
über das Unianga nördlich vorgelagerte Plateau erreichen wollten. Wir
verließen also eine der vielen Pisten, die nach Gouro führten und suchten
uns einen Weg durch das freie Gelände, bis wir die kleinen Seen von Uniange
Serir direkt zu unseren Füßen im Süden liegen sahen.
Vor uns im Süden die Seen von Unianga Serir
Auf den folgenden 500km gab es keine Spuren, es schien, als wären wir die
ersten Menschen in dieser Einsamkeit. Das Plateau erwies sich in zunehmendem
Maße als derart steinig, daß wir die Richtung wechselten und Tekro
anfuhren. In Sichtweite des Forts bogen wir nach Süden und erreichten die
Hauptpiste Kufra-Faya. Auf den restlichen 70 Kilometern bis Unianga Kebir kamen
uns einige Sattelschlepper entgegen, voller Menschen, die sich in Libyen Arbeit
und ein besseres Leben erhofften.
Wunder der Wüste: die Seen von Unianga
Je mehr wir uns Unianga Kebir näherten, umso heftiger wurde der Sandsturm.
Da wir einer ausgefahrenen Piste am Fuße des Unianga-Plateaus folgten, bestand
keine Gefahr, sich zu verirren. Nach einer halben Umrundung des Lac Yoa mit seinem
tiefblauen Wasser und den saftig-grünen Palmgärten an seinen Ufern
führte uns diese Piste direkt auf den desolat erscheinenden Marktplatz des
Ortes. Wir meldeten uns sogleich bei der Polizei, die unsere Pässe kassierte
und wissen wollte, welches unser nächstes Reiseziel wäre. Als wir Fada
nannten, wurden wir darauf hingewiesen, daß hierzu ein Führer notwendig
wäre, den uns die Polizei besorgen würde. Wir kannten diese Praktiken
schon und wußten, daß es sich bei den Führern in der Regel
lediglich um Leute handelt, die auf eine bequeme Transportmöglichkeit warteten.
Wir waren aber dennoch überrascht, als wir erfuhren, welch exorbitant hohen
Preis wir diesmal für die Dienste des 'Führers' auf dieser dreitägigen
Tour über Unianga Serir und Madadi nach Fada zu bezahlen hätten.
Die Wartezeit auf unseren Führer nutzten wir damit, klares Wasser aus einer
Quelle direkt neben dem stark salzhaltigen, veralgten See zu schöpfen und am
Markt ein Faß Diesel zu kaufen (70.000 CFA). Auch hatten wir Glück mit
dem Geldwechsel: ein freundlicher libyscher Lkw-Fahrer tauschte die restlichen
libyschen Dinar in CFA.
Madadi und die Dünen von Koraa
Hali sollte unser Führer sein. Er war ein junger, drahtiger Mann, der nicht
murrte, als er sich zwischen unsere Sitze zwängen mußte. Ohne den kurz
vor unserer Abfahrt in Europa erworbenen Dachgepäckträger wäre es
aber nahezu unmöglich gewesen, seine Unmengen an Gepäck und einen extra
50-kg-Zuckersack zu transportieren. Es stellte sich heraus, daß Hali ein
angenehmer und zuverlässiger Führer war.
Führer Hali, nahe den Dünen von Koraa, Mourdi
Zunächst ging es zu den berühmten Seen von Unianga Serir, die wir schon
einige Tage zuvor vom nördlichen Plateaurand aus erblickt hatten. Eine bergige
Region im Sandsturm querend erreichten wir die idyllische Oase Madadi mit ihrem
alten französischen Fort. Immer unerträglicher wurde der Sturm. Das warme
Essen mußte deswegen am Abend ausfallen. Hali hatte sich mit Mestemacher-Dosenbrot
und einer Fischkonserve zu begnügen - wie auch wir. Am nächsten Morgen
zogen wir es vor, die 50 Meter hohen Dünen von Koraa (N17°52' E20°40')
zu queren, um so eine verminte Engstelle im Pistenverlauf zu umgehen. Ohne Hali
wären wir gewiß in die verminte Passage geraten. Noch immer ließ
der Sandsturm nicht nach, ganz im Gegenteil. So suchten wir also Schutz hinter
mächtigen Granitblöcken in der Nähe des Brunnen von Mogoro.
Ennedi: kurze Aufhellung im ewigen Sandsturm
Wenn er auch Unmengen von Gepäck mit sich führte, so machte Hali dieses
Manko durch sein enormes Orientierungsvermögen wieder wett. Wir waren doch sehr
beeindruckt, wie er bei diesen miserablen Sichtbedingungen den richtigen Weg fand.
So konnten wir ihm also tatsächlich vertrauen - und mußten dies aber auch,
da er während der Fahrt auf dem in einer Konsole fest eingebauten GPS saß
und dieser nur jede halbe Stunde bei extra anberaumten Pausen kontrolliert werden
konnte. Immer wieder tauchten neben uns in den Wolken aus Sand und Staub zerstörte
Militärlastwagen und Panzer auf und wir fragten uns, was wohl die Ursache
ihres Verderbens war: Raketen oder Minen?
Allmählich nähern wir uns dem Ennedi
Allmählich näherten wir uns dem Ennedi. Der Sturm ließ nach und wir
waren überrascht von der baumreichen Oase Oum el Adam. Hier sahen wir die
ersten Menschen seit Unianga. Die Landschaft weitete sich und vor uns tat sich ein
wunderbares Panorama auf: mächtige, rote Bergspitzen, die sich aus einer
weißen, mit Gras bewachsenen Ebene erhoben. Dann trafen wir bei
N17°12, E21°13' auf die stark befahrene, von Faya und Ouadi Doum
kommende Piste. Knapp 20 km später gelangten wir zum Pistenabzweig nach Kalait
und Abeche (N17°12,3' E21°23,8'). Nach weiteren 5 km schlängelte sich
die Piste durch eine felsige Hügellandschaft. Hali warnte uns vor Minen rechts
und links der Piste, denen schon einige Fahrzeuge zum Opfer gefallen waren.
Seleba, 20 km NW Fada
Idyllisches Fada
Angekommen in Fada, dessen Erscheinung eher einem Dorf als einer Provinzhauptstadt
glich, führte unser erster Weg natürlich zur Polizei. 'Wo ist Ihre
Erlaubnis?' war die knappe Begrüßung. Wir hatten keine 'Permission',
wir hatten einen Führer. Aber das sollte nicht reichen. Also mußten wir
uns zum Sous Prefet begeben, der gerade sein Mittagsschläfchen unter einem
schattenspendenden Baum am Rande eines nahezu leeren Swimmingpools hielt. Nach
einer freundlichen Begrüßung fragte auch er uns nach der Autorisation
de Circuler. Sollten wir keine haben, so müsse er sich per Funk an seine
vorgesetzte Dienststelle, die Prefäktur von Faya wenden, um sich von dort
Anweisungen für das weitere Vorgehen zu holen. Auf jeden Fall würden wir
nach Faya fahren müssen, um die Fahrgenehmigung bei der Prefäktur für
die Region B.E.T. zu beantragen. Der Sous Prefet war ein freundlicher, gebildeter
Herr, der die Anliegen der Touristen sehr wohl verstand, was ihn aber nicht daran
hinderte, den Anweisungen seines Ministeriums in N'Djamena Folge zu leisten. Er
lud uns ein, im Garten der Sous Prefecture zu campieren und mit ihm zu Abend zu essen.
Dabei konnten wir ihm viele Fragen über den Tschad stellen. Es war ihm ein
Anliegen, uns eindringlich vor der Minengefahr im nördlichen Tschad zu warnen.
Er wusste, wovon er sprach: bei einer Fahrt auf der Hauptpiste von Gouro
nach Unianga Kebir geriet er auf eine Mine, die seinen Fuß zerfetzte.
Hauptplatz von Fada
Es schien unumgänglich, wir mußten zurück nach Faya (mit einem
teuren Führer natürlich), um uns dort die Fahrerlaubnis zu holen. Obwohl
wir genügend Zeit gehabt hätten, wollten wir dies nicht, vielmehr hätten
wir es vorgezogen, unsere Fahrt nach Abeche fortzusetzen. Dabei hätten wir
akzeptiert, daß der Besuch des Ennedi ohne Genehmigung nicht möglich
gewesen wäre. Nach einigen Tagen wurde uns tatsächlich gestattet, ohne
die obligatorische Genehmigung, aber mit Führer, nach Abeche weiterzufahren.
'Abdulaye' Peter Benz
Normalerweise wird diese 550 km lange Strecke von den Einheimischen in einem Tag
zurückgelegt. Wir ließen uns aber Zeit und kamen erst am dritten Tag
dort an. In Kalait trafen wir auf einen unangenehmen Polizisten, der uns erst nach
Abgabe eines cadeau weiterfahren ließ. Je weiter wir nach Süden
kamen,umso deutlicher wurde, daß wir die Wüste hinter uns gelassen hatten
und uns dem Sahel und Schwarzafrika näherten. Said Nemtchi, unser junger
Führer, lebte wieder so richtig auf, hier in seiner Heimat Ouadai. Typisch
Ouadai, meinte er, als wir in Arada und Biltine nur auf freundliche und nette
Menschen stießen. Die Landschaft wurde pittoresk, wilde Berge verstreut in
weiten Ebenen, durch die prächtige Rinderherden zogen. In Abeche dann wieder
die 'Zivilisation': Ein quirliger Markt, die GTZ, amerikanische Missionare und
eine Oase der Ruhe und Geborgenheit bei Abdulaye Peter Benz, einem Schweizer
Chirurgen, der hier schon seit Jahren mit seiner tschadischen Frau lebt und arbeitet.
Seit Wochen konnten wir erstmals wieder Deutsch sprechen und vieles über diese wilde
Gegend des Tschad erfahren.
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