Algerien: im Transit durch ein kaputtes Land
Beobachtungen zur Sicherheitssituation
© Reinhart Mazur, 2003-2008
Ziel der Reise war ursprünglich die Durchquerung der Depression von Mourdi,
die Befahrung der Erdis (NE Tschad) und die Rückreise von Faja über Mumr
und Seguedine nach Djanet. Wegen der unerwartet extremen Hitze war die Durchquerung der Depression
nicht ratsam und der Abschnitt
von Faja nach Seguedine zu riskant wegen neu verlegter Minenfelder
nördlich Faja und Rebellenaktivitäten in der gesamten Region.
Um für diesen Reiseabschnitt mehr Zeit zu gewinnen, wurde die Anreise in den
Tschad sehr zügig abgespult. Noch eiliger der Transit zurück durch Algerien
nach Tunesien, da zu diesem Zeitpunkt schon die Entführungsaktionen in
Algerien bekannt waren.
Bei beiden Fahrten durch Algerien machten wir bemerkenswerte Beobachtungen,
die ich nachfolgend schildern möchte:
1. Von Tunesien über Djanet nach In Guezzam (24.2.-6.3.2003)
Keinerlei Probleme bei der Einreise nach Algerien in Taleb Larbi. Wir sind zwar die einzigen
Touristen an der Grenze, werden aber demonstrativ nicht beachtet, das Frühstück
bzw. das Schwätzchen mit den sich sonnenden Kollegen vor dem Amtgebäude ist
dem mürrischen Beamten natürlich wichtiger. Nach einer Stunde haben
wir dann die Stempel im Pass, Geld gewechselt und die Kfz-Versicherung abgeschlossen.
Vor El Oued trifft uns an einem Speed Breaker ein faustgrosser Stein, der zwar nur eine
kleinere Beule im Türblech hinterlässt, der Ärger dafür ist umso grösser...
Der Kontrollposten am Abzweig nach Hassi Messaoud stellt uns die Fahrgenehmigung nach Djanet aus.
Zweimal wird sie unterwegs kontrolliert. An diesem ersten Reisetag in Algerien gibt es gleich
eine weitere unangenehme Überraschung: es ist Generalstreik, alle Tankstellen
in dieser Wilaya sind geschlossen, auch jene im Gassi Touil. Diese würde aber, wie wir erfahren, auch so
an Touristen keinen Treibstoff verkaufen. Kein Problem, wir haben bereits in Hassi Khalifa
beide Reservetanks gefüllt.
Der Kontrollposten bei Hassi Bel Guebbour verweigert die Fahrt nach Bordj Omar Driss,
was uns aber nicht stört, da wir ohnehin nach In Amenas und Illizi
auf der Teerstrasse fahren wollen. In Illizi nur ein kurzer Halt, wir kaufen Brot und tanken.
Nichts Auffälliges. Die Händler lungern wie gewohnt vor ihren
Läden und beobachten die neuangekommenen Touristen.
Hinter Illizi steigt die schmale Teerstrasse hinauf aufs Plateau du Fadnoun. Hin und wieder gibt es
überraschende Begegnungen mit plötzlich in scharfen Kurven auftauchendem
Gegenverkehr. Sehr merkwürdig, die auf viele Dutzende von Kilometern in kurzem Abstand
am Strassenrand sauber zusammengekehrten Sandhäufchen. Wir vermuten, dass dies wohl
das Ergebnis der Arbeit einer Strafkompanie sein müsse, wie wir es früher schon mal
an der Hoggar-Piste bei In Amguel sahen, dort in Form riesiger Steinmänner,
einer neben dem anderen.....
Irgendwann einmal treffen wir auf zwei, drei schäbig
gekleidete Typen, die sich in gebückter Haltung neben der Strasse, die durch die abschreckende
Einsamkeit dieses grauslich-schwarzen Felsgeländes des Fadnoun führt, zu schaffen machen;
dann, unvermittelt, ein halb-kaputtes Zelt. Was sich hier wohl abspielen mag?
Noch mysteriöser folgendes: Es geht wieder einmal scharf um eine felsige Kurve, als
unvermittelt zwei junge Männer aus dem Strassengraben aufspringen und uns bedeuten, anzuhalten.
Das tun wir aber nicht: zu verdächtig die Gestalten, die dies versuchen, trotz
oder wegen des unpassenden Outfits: Anzug mit Krawatte und weisses Hemd! Was tun die bloss hier
in dieser ungastlichen Einöde, mitten auf dem Plateau du Fadnoun, kein anderer Mensch weit und breit zu sehen?
Spektakulär dann die Abfahrt vom Plateau. Eine Gruppe Grazer Toyota mit Fähnchen
düst den Berg hinauf und entschwindet grusslos. Die Strasse führt jetzt stark nach Osten
und trifft im Gebiet des Oued Dider auf jene Piste, die nach Tarat und weiter zurück nach Illizi
führt. Wir biegen hier nach Süden ab, Richtung Zaoutallaz.
Vom Südwesten her, aus
Richtung Tin Aourer nähert sich uns mit irrer Geschwindigkeit eine
Staubwolke. Wir denken noch: merkwürdig, warum der es so eilig hat, und
fahren weiter. Unser alter Übernachtungsplatz in den Felsen nahe dem Taradjeli-Pass
ist nicht mehr weit. Die Staubfahne ist nun keinen Kilometer mehr weg, eine weisser
Pick-up ist im Fernglas gut zu erkennen. Unterdessen ist der pistenartige Abzweig zu unserem
versteckten Platz gekommen, wir biegen von der Strasse nach Osten ab. Und zu unserer grossen
Verblüffung erwartet uns da eine weitere Überraschung: Etwas verborgen hinter Felsen
steht ein weisser Patrol, eine Gruppe Einheimischer studiert Karten, die sie über die
Motorhaube ausgebreitet haben. Sie sind genauso verdutzt wie wir! Sofort drehen wir um und fahren
weiter sobald wir die Teerstrasse erreicht haben.
Der weisse Pick-up von vorhin hat die Strasse bereits
ebenfalls erreicht und fährt nun in auffälliger Weise einige hundert Meter vor uns her, sehr langsam, so, als lauere er
darauf, dass wir ihn überholen. Den Gefallen tun wir ihm aber nicht, wir verdrücken uns bei erstbester
Gelegenheit wieder östlich der Strasse in die Felsen. Von dort beobachten wir, was weiter passiert.
Der Pick-up hält und wartet. Doch hoffentlich nicht auf uns! Der weisse einheimische Patrol taucht auf,
fährt am wartenden Pick-up langsam vorbei und weiter in Richtung Zaoutallaz. Der Pick-up folgt dem Patrol in
Sichtweite. Er kehrt nicht mehr zu uns zurück. Nach unbehelligter
Nacht fahren wir am nächsten Vormittag ohne Zwischenfall in Djanet ein.
Im Camping Zeribas verbringen wir einen Tag. Zu kaufen gibt es am nahen Markt - ausser Brot und Wasser in Flaschen - nicht
viel, Obst und Gemüse praktisch keines. Sehr auffallend die starke Präsenz des Militärs,
von Touareg dagegen ist kaum etwas zu sehen, nur am afrikanischen Markt. Die schönen alten Kaufmannshäuser im Ortszentrum
wurden geschleift und durch neue, grössere, aber hässliche ersetzt. An der Tankstelle bei der Ortseinfahrt wird
noch einmal alles vollgetankt. Am folgenden Tag soll
es auf bekannten Pfaden zum Adrar Bous gehen und weiter am Nordrand des Air entlang direkt nach In Guezzam,
wo wir offiziell ausreisen werden. Von unseren wahren Reiseplänen weiss niemand.
Nur allzu gut ist uns die schreckliche Geschichte des Überfalls auf eine Gruppe
deutscher Touristen auf dem Weg von Djanet nach Djado noch in Erinnerung. Wir fahren
daher abseits aller Spuren in Richtung Südost, immer Deckung suchend, aber die ist
rar! Ungesehen gelangen wir bis in die Nähe des Pointe Berliet, als aus Richtung In Azaoua/Mont du Metal
kommend einige Toyota Pick-ups in die Tenere du Tafassasset einfahren und uns sicher auch gesehen haben,
obwohl noch zwei, drei Kilometer entfernt. Wir fahren stur unseren Kurs weiter und das tun
gottseidank auch die Pick-ups, sodass es zu keinem unwillkommenen Zusammentreffen kommt.
Vom Adrar Bous führt eine stark befahrene Toyota-Piste nach Westen zum Nordrand
des Airs hin, wo sich diese Piste mehrfach gabelt mit Abzweigen nach Arlit und In Azaoua.
Auf dieser Route werden die Schwarzen aus Westafrika nach Libyen geschleust. Unzählige verlore Schuhe
und Wasserflaschen zeugen von diesen Aktivitäten. Wir selbst stossen auf eine Gruppe von
vielleicht 12 Menschen, die sich abseits der Piste unter einen Baum gesetzt hat. Sie bemerken uns
natürlich, machen aber keine Anstalten, uns zu sich zu winken. Also fahren wir
weiter. Eine Stunde später begegnen wir auf der Piste zwei Toyota Pick-ups, die Ladeflächen gerammelt
voll mit Schwarzen. Kein Gruss, kein Halt. Ob die unter dem Baum Wartenden von diesen
Autos noch mitgenommen werden? Eher nicht...
Die weitere Fahrt nach In Guezzam führt wieder durch freies Gelände. Spuren gibt es hier keine,
nur hin und wieder treffen wir auf unsere eigenen, die wir vor etwas über einem Jahr
gezogen haben.
Alptraumartig das desolate In Guezzam. Diesel bekommen wir hier keines. Es geht also gleich weiter zur
algerischen Grenzstation einige Kilometer südlich des Ortes. Dort schnelle und korrekte Abfertigung
durch Polizei und Zoll.
Fazit dieser Etappe:
Die merkwürdigen Aktivitäten Einheimischer am
Oued Dader gewannen erst in dem Moment so richtig an Bedeutung, als wir in den Nachrichten der Deutschen Welle
vom 'Verschwinden' einer Gruppe von 11 Motorradtouristen 'in der Sahara' hörten.
Unser Verdacht richtete sich sofort auf die Gegend um Illizi, was sich später
bewahrheiten sollte. Mit den Menschenschmugglern südlich Djanet hatten wir gerechnet und uns,
soweit möglich, darauf eingestellt.
2. Von In Guezzam über Tam nach Tunesien (19.4.-26.4.2003)
Überaus herzlicher Abschied durch die nigrischen Grenzbeamten in Assamaka. Sie bangen mit uns, dass
wir sicher nach Tamanrasset gelangen mögen. Die Entführungen haben auch im Niger
erhebliche Unsicherheit und Ratlosigkeit ausgelöst.
Wir achten nicht so sehr auf den richtigen Kurs nach In Guezzam und folgen einfach den hunderten von LKW-Spuren.
Diese umgehen aber die algerische Grenzstation in sehr grossem Abstand, sodass wir gezwungen sind, einige Kilometer nach Osten
abzubiegen, um dorthin zu gelangen.
Sofort spüren wir die eigenartige Atmosphäre, die hier jetzt herrscht. Wir haben den Eindruck,
in Algerien nicht willkommen zu sein, hier nur zu stören. Ungewohnt eiskalt die Abfertigung durch die
Polizei, der Zollbeamte, der noch nie freundlich war, zeigt deutlich seine Distanz zu den ungeliebten Touristen.
Was für ein Unterschied zu den liebenswürdigen, herzlichen Menschen in Assamaka!
Ganz klar: man will uns hier nicht haben, nicht jetzt, wo die Entführungen laufen....
In Guezzam hält eine Überraschung bereit: Wir können Diesel tanken, müssen aber lange
warten, bis es soweit ist. Vor uns tankt ein finsterer Geselle, Fahrer eines Benzin-Landcruiser-Pick-up, ein Fass nach dem anderen mit Diesel.
Sehr eigenartig!
Schon von Agadez aus haben wir die österreichische Botschaft in Algier per Fax von unserem
Transit durch Algerien verständigt. Wir haben keine Ahnung, was uns auf der Strecke
von In Guezzam nach Tam erwartet. Wir erinnern uns an die Geschichte vom Überfall der algerischen
Grenzstation in In Guezzam durch Räuber aus Mali und den Raub von Dutzenden von LandCruisern der
Baugesellschaft, die an der neuen Teerstrasse arbeitet. Und natürlich ist uns bekannt, dass
auf dieser 400 km langen Strecke schon viele Fahrzeuge samt einheimischer Insassen verschwunden sind...
Als wir durch die unglaublich tristen Strassen In Guezzams fahren, treffen wir auf ein vollbesetztes
Gendarmeriefahrzeug. Wir gleich hin. Unsere Frage nach der Sicherheitssituation wird gerne beantwortet:
Pas de problème, nur den Markierungen nachfahren, dann verirrt Ihr Euch bestimmt nicht. Das war's.
Kein Wort zu der uns brennend interessierenden aktuellen Sicherheitssituation. Offiziell ist also alles
in Ordnung, wie immer. Uns überzeugt das Verhalten der Beamten in keiner Weise, wir bleiben sehr wachsam.
Da wir am Morgen in Agadez weggefahren sind, schaffen wir es an diesem Tag nicht bis Tam. Wir suchen daher
an passender Stelle ein gutes Versteck in einem Gebirgsstock weit abseits der Piste.
Bei der Mittagspause am nächsten Tag donnert ein halbes Dutzend leerer, beige-brauner
LandCruiser Pick-up an uns vorbei nach Norden. Am Steuer nicht sehr vertrauenswürdig
aussehende Touareg-Gestalten. Wir sind froh, dass wir unbehelligt bleiben. Kurz vor Tamanrasset,
steht am Rand der katastrophalen, schlaglochübersäten Teer'strasse' ein Geländewagen,
eine handvoll gut gekleideter Männer (vermutlich ein Greiftrupp der Geheimpolizei) beobachtet den Verkehr.
Als wir passieren, hebt einer die Hand und schüttelt seine Faust wütend gegen uns. Was haben wir nur
verbrochen? Kein freundlicher Empfang in Algerien!
Doch dies sollte nicht der einzige Vorfall dieser Art bleiben. In Tam wird uns von einem
Fussgänger mit eindeutiger Geste bedeutet, dass man uns am liebsten den Hals abschneiden sollte.
Wir sind schockiert. So etwas haben wir noch nie erlebt. Aber auch der Empfang am 4x4-Camping ist ein Schock.
Waren wir es gewohnt, wie zuletzt am Camping Escale in Agadez, vom Patron in brüderlicher Umarmung
herzlichst verabschiedet zu werden, so haben wir hier genau den entgegengesetzten Eindruck.
(Ein Jahr zuvor wurden wir noch sehr freundlich in der angenehmen Auberge Caravane empfangen!)
Ganz offensichtlich sind wir unwillkommen. Trotzdem bleiben wir. Es sind lediglich zwei andere
Touristenfahrzeuge auf dem riesigen Platz. Alle anderen (Algerien-)Touristen sind vor kurzem in einem
grossen Konvoi in Militärbegleitung nach Norden evakuiert worden. Wir müssen nun selbst schauen,
wie wir sicher nach Tunesien zurück kommen. Bestimmt nicht über die kürzere Amguid-Piste, dort werden Touristen entführt.
Aber auch die Hauptstrasse über In Salah nach El Menia (El Golea) ist alles andere als sicher.
Wir schauen also gleich mal im grossen ONAT-Büro vorbei, um uns dort über die aktuelle Lage
zu informieren. Die angestellten Touareg lümmeln in der Polstergarnitur herum, würdigen
uns keines Blickes, machen aber freche Bemerkungen. Es reicht, wir gehen. Auch sonst nirgendwo ein
freundlicher Blick, kein Lächeln auf den Gesichtern der Menschen, kein freundliches Wort.
Nur einmal kommen wir in Kontakt mit einem freundlichen, offenen Menschen, der uns zeigt, wo das 'bessere'
Internet-Cafe liegt: Natürlich ist es kein Algerier, sondern ein netter Malier!
Die Algerier sind offensichtlich psychisch kaputt, zermübt durch viele Jahre des Niedergangs, der Arbeitslosigkeit, der
Unsicherheit, von Gewalt und Terror in diesem Land! Hunderttausend Nordalgerier haben sich in den letzten Jahren
nach Tam geflüchtet und dabei die Touareg verdrängt, die im Stadtbild fast verschwunden sind.
Sie existieren nur noch in einem mafiösen Untergrund, dessen Chef, wie man so hört, der Besitzer des
4x4-Campings sein soll...
Wir kommen ins Gespräch mit einem jungen Schweizer, der einen grossen Teil des Jahres stets in Tam verbringt.
Er verkehrt in den besten Touareg-Familien und weiss, was gespielt wird. So ist es
unglaublich interessant, die neuesten Gerüchte betreffend die Entführung der Touristen zu hören.
Und das Interessanteste daran ist, dass all das, was wir von ihm im bereits Ende April erfahren, sich später voll
bewahrheiten wird. Nachdem also damals schon alles ein offenes Geheimnis war, fragen wir uns natürlich,
warum die Befreiung der Geiseln nicht früher erfolgen konnte. Der Grund hierfür liegt offensichtlich auf der Hand:
die Verstrickung gewisser Regierungsstellen mit den Entführern selbst...
Die nächste Aktion gilt der Polizei. Wir wollen aus offiziellen Quellen mehr
erfahren über die Sicherheitssituation, speziell auch über Konvois nach In Salah und El Menia.
Die lokale Überwachung der Touristen funktioniert, unsere Ankunft in Tam wurde schon gemeldet. Namen und Auto-Kennzeichen sind bekannt.
Vom Polizeioffizier geht eine ungewöhnliche Nervosität aus. Konvoi nach Norden geht keiner, die Strasse sei aber sicher, pas de problème!
Wir muessen nur den genauen Abreisezeitpunkt bekanntgeben.
Und da geht es dann auch los. Keine Kontrolle am Ortsausgang. Die erste Kontrolle erst 350 km später, in Arak.
Wir sind an diesem Posten nicht vorangemeldet, keiner erwartet uns. Nach einer geschlagenen Stunde,
in der die Personal- und Autodaten in dicke Bücher eingetragen werden, geht es weiter.
Kaum Verkehr unterwegs nach In Salah und wenn, dann immer drei oder vier LKW im Konvoi, ohne Polizeibegleitung.
Spät am Nachmittag erreichen wir In Salah. Wir werden an der Sperre angehalten, alle Daten notiert. Avisiert sind wir nicht.
Die gleiche Prozedur noch einmal im Polizei-Kommissariat im Zentrum. Niemand weiss, dass wir unterwegs waren.
Und das gleiche noch einmal in El Menia. Zweifache Kontrolle und Registration, niemand ist über unser Kommen informiert.
An der Ortsausfahrt werden wir von einem Posten gestoppt. Ob wir schon bei der Gendarmerie zur Registratur waren?
Nein, denn wir meinten, zweimal registrieren würde reichen. Also wieder 5 Kilometer zurück. In der Gendarmerie-Zentrale
sind wir unwillkommen, da wir nur Arbeit machen. Eine halbe Stunde dauert es, bis wir wieder fahren können.
Der Posten winkt uns nun durch. So langsam haben wir von Algerien die Schnauze voll: wir erleben
nur unzählige dumpfe bürokratische Prozeduren, aber Sicherheit, gerade in dieser
kritischen Zeit, wird durch sie in gar keiner Weise gewährleistet.
Wir haben nur mehr eines im Sinn: Algerien so schnell wie nur irgend möglich zu verlassen.
Es ist klar, dass Sicherheit hier nirgendwo existiert, und schon gar nicht im Gebiet von Ghardaia-Ouargla-Touggourt-El Oued-Berriane. Ab und zu werden wir aufgehalten von Strassenposten.
Wie früher in Tunesien üblich, so will man nun in Algerien mit Touristen ins
Gespräch kommen, aus schlechtem Gewissen wegen der Entführungen, so vermuten wir.
Als wir wieder einmal, diesmal von einem Zollmenschen, angehalten werden, platzt uns der Kragen.
Mit der Aufforderung, unsere Ausreise ins sichere Tunesien nicht zu behindern und lieber nach
den Entführern zu suchen, hatte dieser Mann nicht gerechnet.
Wie immer haben wir auch diesmal in Hassi Khalifa gestoppt, um alles vollzutanken. Wir sind mitten in
der etwas länger dauernden Prozedur, als ein smarter Algerier in Zivil herkommt und einige Fragen stellen will.
Er stellt sich vor als Mitarbeiter des algerischen Geheimdienstes und will, wie so viele andere Posten unterwegs, wissen,
wo wir herkommen und wie uns Algerien gefallen hat. Er habe aber auch den Auftrag, Touristen zu befragen,
ob sie unterwegs irgendwelche Auffälligkeiten in Hinblick auf die Entführungen bemerkt
hätten. Wir erzählen ihm all das, was wir von dem Schweizer in Tam erfahren hatten. Da wird er bleich, sein Lächeln
verschwindet, er macht sich eifrig Notizen und verabschiedet sich freundlich und höflich. Der erste Algerier, den wir auf diesem Reiseabschnitt treffen,
der sich wie ein normaler Mensch benimmt.
Aufgesetzte Freundlichkeit der algerischen Grenzposten, überall spüren wir unterschwellige
Schuldgefühle bei den Beamten, vielleicht sogar auch Schadenfreude. Wir sind heilfroh, als der Grenzbaum nach Tunesien hochgeht.
Im Camping Beau Rivage in Tozeur werden wir vom Patron, als schon Totgeglaubte, auf das wärmste empfangen...
Fazit der zweiten Etappe:
Allerorten zu spüren eine dumpfe Niedergeschlagenheit. Nervöse Unruhe bei
den Behörden, die die wenigen verbliebenen Touristen in falscher Sicherheit wiegen wollen.
Ihre Sicherheitsmassnahmen erscheinen dilettantisch bis schikanös, aber keinesfalls effizient.
Berechtigt ist grosses Misstrauen in Fähigkeit und Willen von Gendarmerie, Polizei
und Militär, wirksam für die Sicherheit der Touristen zu sorgen. Zu gross sind die
Probleme, mit denen diese Organe intern zu kämpfen haben. Nach vielen Reisen durch
dieses Land sehen wir keinen Grund, unter den gegebenen Umständen so schnell wieder
dorthin zu fahren.
|