EIN STARKER CHARAKTER
Praxistest Toyota LandCruiser BJ75
© Reinhart Mazur (aus tours Heft 4/85)
Kaum ist die neue Landcruiser-Generation erschienen, sind die Toyota-Fans
auch schon in zwei Lager gespalten: Die einen werten die Existenz der
Neuen als einen Schritt in die falsche Richtung, nämlich weg vom Echten,
Urigen, Kernigen, hin zu jenen uniformen Karrossen der japanischen Konkurrenz.
Die anderen erblicken im neuen Erscheinungsbild einen längst fälligen
Schritt - eine positive Entwicklung dann, wenn mit der Optik auch die Technik
modernisiert wurde. Können die Neuen diesen Ansprüchen
genügen?
Das Unwesentliche zuerst:
Zweifellos wirkt das Blechkleid des BJ45-Nachfolgers harmonischer. Aus einem
BJ45 mit hinten angestückeltem zweiten Abteil ist ein Fahrzeug wie aus
einem Guß geworden. Trotz seiner zum Teil verblüffenden
Ähnlichkeit zum Urtier FJ55 verfügt der BJ75 über einen
eigenen, starken Charakter.
Der günstige optische Eindruck beruht nicht zuletzt auf gelungenen
Proportionen, basierend auf einer größeren Fahrzeughöhe.
Daß deshalb der BJ75 nicht mehr in alle Garagen paßt, soll nicht
weiter stören. Kommt es dem Globedriver doch auf andere Eigenschaften an.
Der Ausbaufähigkeit etwa, der Zuladung, der Geländegängigkeit.
Das letztere ist bekanntlich ein relativer Begriff. In der Kiesgrube oder
beim Trial werden BJ75 sicher weniger anzutreffen sein. Wohl aber dort, wo
größeres Expeditionsgepäck über lange Distanzen schnell
und zuverlässig, mit nur geringen Abstrichen am Komfort, transportiert
werden muß.
Konzipiert wurde die Hardtop-Version des BJ75 als Mannschaftstransporter.
Was dabei herauskam, entspricht schon sehr dem, was ein ideales,
geländegängiges Fernreisefahrzeug sein könnte. Gegenüber
dem BJ45, dessen Ausbaufähigkeit mit den verschiedensten Varianten
bestens bewiesen wurde, hat der BJ75 noch mehr zu bieten. Der große
Innenraum (die Radkästen nehmen nicht viel Platz weg) läßt
das Herz jedes Ausbauers höher schlagen. Auch deshalb, weil die
zulässige Nutzlast von fast 1.100 kg (bei einem zulässigen
Gesamtgewicht von 3.035 kg) es erlaubt, den vorhandenen Raum sinnvoll zu nutzen.
Wem dieser Raum noch nicht genügen sollte, der kann bis zu 2.275 kg an
den Haken nehmen.
Natürlich ist, gerade bei Expeditionen in unwegsame Regionen, die
Geländegängigkeit des Fahrzeugs ein wichtiges Kriterium für
dessen Tauglichkeit. Was kann der BJ75 hier bieten? Zunächst einmal einen
etwas verkürzten Überhang hinten (131 cm gegenüber 138 cm beim
BJ45), einen verlängerten Radstand (298 cm statt 295 cm), aber auch eine
auf 24 cm erhöhte Bodenfreiheit, gemessen unter den Differentialen bei
serienmäßiger Bereifung. Das sich selbsttätig zuschaltende Sperrdifferential in der
Hinterachse ist in der Standardausführung nicht vorgesehen und selten
erforderlich.
Nützlicher sind gute Geländereifen, die serienmäßig
aber gleichfalls fehlen. So kann man sich getrost für einen der
bewährten Michelins entscheiden: Bei überwiegendem Einsatz in Afrikas
Wüstenregionen bietet sich der XS Sandreifen an. Den grobstolligen XCL
wird man vorzugsweise für Fahrten in tropischen Regenwäldern in
Betracht ziehen (Der deutsche TÜV untersagt die Zulassung beider Reifen
zum öffentlichen Straßenverkehr). Bleiben somit für die
Straße und leichten Geländeeinsatz zunächst die bereits
vorhandenen Bridgestone U-Trac Light Truck 7.50-16 (8-ply). Sie sind montiert
auf den bekannten geteilten Felgen, die - mit Übung und geeignetem Werkzeug -
den Reifenwechsel erleichtem. Verglichen mit den eher katastrophalen
Eigenschaften der Dunlop Light Truck, die ehedem so manchem Toyota-Fahrer das
Leben schwer machten, stellt der Bridgestone einen Fortschritt dar. Zwar ist
dieser Diagonalreifen z.B. dem Michelin XZY in puncto Komfort und vermutlich
auch Verschleiß unterlegen, immerhin ist er aber einigermaßen
rutschfest, kurvenwillig und rundlaufend.
Ohne daß die Geländegängigkeit beeinträchtigt wäre,
ist das Reserverad, diebstahlgesichert, unter dem Wagenboden am Heck untergebracht.
Wer will, kann das Reserverad auch an der breiteren der beiden Heckflügeltüren
montieren, wodurch unten Platz geschaffen wird für einen Original Toyota
90l-Zusatztank. In diesem Falle sollte das Türblech zusätzlich
verstärkt werden, um die im harten Pistenbetrieb zu erwartenden Haar-Risse
zu verhindern. Hingegen scheinen die Türscharniere für diese Belastung
ausreichend dimensioniert zu sein. Eine spezielle Lagerung der breiten Hecktür
dürfte die vom montierten Reserverad ausgehenden Kräfte zuverlässig
aufnehmen.
Für das Vorwärtskommen sorgt in altbewährter Weise der bullige
und sparsame Vierzylinder-Dieselmotor vom Typ 3B. Auch am Motor wird an vielen
Details sichtbar, daß Toyotas Ingenieure ständig mit der
Perfektionierung ihrer Produkte befaßt sind. So wurde der Kühler
nun stabil und rüttelsicher gelagert oder - anderes Beispiel - das
Motorölfilter ist nun bequem von oben her zugänglich. Nach wie vor
leistet die Maschine 90 PS, völlig ausreichend, um auch ein vollbeladenes
Fahrzeug bei reduziertem Reifendruck durch ausgedehnte Sandfelder zu ziehen.
Doch Vorsicht! Eine Kontrolle der Öltemperatur durch ein nachträglich
montiertes Ölthermometer ist angeraten. Neben der Benzinuhr, dem Tachometer
und der Wassertemperaturanzeige umfaßt die Standardinstrumentierung
lediglich Warnleuchten für Öldruck und Batterieentladung, sowie eine
Anzeige für eingeschalteten Vierradantrieb. Das Armaturenbrett ist
ansprechend gestaltet und übersichtlich. Ein extra Ausstattungspaket
umfaßt zusätzlich Drehzahlmesser, Öldruckanzeige und Voltmeter
und Spielereien wie Neigungsmesser und Höhenmesser, worauf der
BJ75-Fahrer eigentlich verzichten kann.
Nicht verzichten sollte man auf die in der Standardausführung fehlende
Servolenkung. Nur Muskelmänner, die es gewohnt sind, ausgebaute BJ45, gar
noch mit Sandreifen versehene, ohne Servounterstützung in enge Parklücken
zu manövrieren, können leichthin auf die Servolenkung verzichten.
Durch konstruktive Änderungen an der Lenkung ist diese allerdings auch
ohne Servo ziemlich leichtgängig geworden.
Dem Pkw-ähnlichen Cockpit entsprechen die stark verbesserten
Fahreigenschaften. Zwar hängen die Achsen in den Heavy Duty Versionen
der neuen LandCruiser, so auch beim BJ75, an Blattfedern, doch ist die Vorderachse
nun mit einem kräftigen Stabilisator versehen. Dieser trägt zu
einer erstaunlichen Verbesserung der Straßenlage bei. Selbst bei
Lastwechsel in forsch gefahrenen Kurven hat man nicht mehr das Gefühl,
urplötzlich vom Wagenheck überholt zu werden. Ob diese Gefahr
tatsächlich nachhaltig gebannt wurde, ist zu bezweifeln. Aber
schließlich wird ein solches Auto auch eher beschaulich als aggressiv
gefahren. Unschön ist das Poltern der Vorderachse auf holprigen Fahrbahnen.
Offensichtlich sind die Stoßdämpfer nicht optimal auf die neu dimensionierten
Blattfedern abgestimmt. Das Poltern und lästige Nickschwingungen lassen
sich durch geeignete Dämpfer sicher in den Griff bekommen. Bewährt
haben sich in ähnlich gelagerten Fällen beim BJ45 die einstellbaren
Gabriel, Typ E.
Zum ungewohnten Gesamtkomfort tragen die hervorragende Schallisolierung des
Motorraumes bei sowie der fünfte Gang, der den Geräuschpegel auf
langen Autobahnstrecken nochmals sinken läßt und Treibstoff sparen
hilft. Leicht verbesserungsbedürftig sind die Sitze.
Wie steht es mit der Wirtschaftlichkeit? Mühelos stellt sich auf
Autobahnen eine Reisegeschwindigkeit um die 110-120 km/h ein. Der Verbrauch
liegt dann bei etwa 11,5 Liter/100 km. Das ist für solch ein Trumm Auto
wahrlich nicht viel. Bei einem Tankvolumen von 90 Litern ergibt sich so ein
theoretischer Aktionsradius von knapp 800 km. Allerdings neigt sich der
Zeiger der Benzinuhr bereits nach etwa 650 km nachdrücklich der
Nullmarke zu. In den Tank gehen dann aber nur wenig über 70 Liter. Auf
Afrikatouren ist, ähnlich dem BJ45, mit einem mittleren Verbrauch von
unter 14 Litern/100 km zu rechnen. Ein Spitzenverbrauch von 17 Litern
dürfte nur in den seltensten Fällen erreicht werden. Die legendäre
Zuverlässigkeit und Robustheit der LandCruiser tragen ebenfalls zu der
auch und gerade von Globedrivern gewünschten Wirtschaftlichkeit bei.
Damit läßt sich die eingangs gestellte Frage nach der
Existenzberechtigung des neuen BJ75 durchaus positiv beantworten:
Toyota ist es gelungen, die schmale Palette der ernstzunehmenden
Fernreisefahrzeuge mit einem modernen Fahrzeug um eine preiswerte Alternative
zu bereichern.
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