Im Eiltempo nach Hause
Nach der Weigerung, die Taschen des korrupten Behörden-Chefs in Aktöbe mit
viel Geld zu füllen, war es ratsam, so schnell wie nur eben möglich, die Grenze nach Russland zu überschreiten. Wir wußten ja nicht, wie effektiv der
kasachische Polizeiapparat arbeitet, wenn es darum geht, 'Verbrecher' wie uns an der Ausreise zu hindern.
So streuten wir Gerüchte, denen zu Folge wir den nächstgelegenen Grenzübergang benutzen wollten, nämlich jene Grenzstation, die auf der am stärksten
frequentierten Strecke nach Orenburg liegt. Tatsächlich aber fuhren wir über Uralsk nach Saratov. Die im Lonely Planet Führer als 'malerisch' beschriebene Stadt
Uralsk fanden wir deprimierend, was uns nur bestärkte, die Reise umgehend fortzusetzten.
Das schöne Wetter, das wir in den letzten Wochen genossen, war mit einem Schlag zu Ende, es regnete nunmehr in Strömen, ein eisiger Wind aus Sibirien versprach nichts
Gutes; es schien, als würde uns der Winter doch noch einholen wollen! Die kommenden Tage in Russland und der Ukraine sollten zu einem Wettlauf mit dem hereinbrechenden Winter
werden. Regen oder Schnee hätten natürlich zur Folge gehabt, daß es praktisch unmöglich gewesen wäre, gute Übernachtungsplätze in der Natur
anzufahren. Die Feldwege zu den in Frage kommenden Plätzen waren schon jetzt tief verschlammt und fast nicht befahrbar. Die Etappen wurden dagegen länger und
länger, die Tage immer kürzer. Bei Dunkelheit, Wind und Regen zu kochen: dazu waren wir nicht mehr hart genug im Nehmen. Was blieb also anderes übrig, als sich aus
den noch reichlich vorhanden Konserven kalt zu ernähren?
Die kasachische Grenzstation war ein Alptraum! Ein Provisorium von drei, vier schäbigen Containern auf einem sturmumtosten grünen Hügel mit Blick auf die Weiten
der Steppe. Kaum Verkehr, sodaß wir gleich abgefertigt wurden. Der junge Kasache am Zoll war stolz auf seine Englisch-Kennnisse und machte ein paar 'nette' Bemerkungen, als
wir bis zu den Knöcheln in einer Wasserlacke vor ihm standen. Er kauerte ja gut geschützt in seinem überheizten Container hinter einem Guckloch, durch das wir uns
mühevoll verständigten. Diese erste Hürde bei der Ausreise aus Kasachstan war dann geschafft! Jetzt kam es darauf an, daß die Grenzpolizei ohne zu fragen die
Stempel in die Pässe drückte. Und siehe da, auch hier ein paar freundliche Worte auf Englisch, und schon waren wir weg! Das war also noch einmal gutgegangen!
In Saratov gingen wir wieder ins Hotel, um die obligate OVIR-Passregistrierung erledigen zu lassen. Es lag direkt an der Wolga mit einem herrlichen Blick auf den Strom und die
Stadt. Leider entsprach das Zimmer ganz und gar nicht dem horrenden Preis, den wir zahlen mußten. Es war ein verkommenes Loch, das schlimmste, das wir in Russland je hatten.
Aber immer noch erheblich billiger als die astronomisch teuren renovierten Zimmer. Wir hielten es der freundlichen Dame an der Rezeption aber zugute, daß Sie uns vorher
ausdrücklich vor den 'billigen' Touristenzimmern warnte und sie eigentlich für unzumutbar hielt.
Eine riesige, positive Überraschung erlebten wir in Voronesch. Die Durchfahrt durch die ausgedehnte Großstadt ist recht kompliziert, aber dank einer wirklich
perfekten, narrensicheren Beschilderung nicht zu verfehlen. Ein echtes Wunder, denn normalerweise ist es ziemlich schwer, ins Zentrum einer russischen Stadt zu finden, aber noch
viel schwerer, wieder heraus zu kommen! Voronesch werden wir daher in bester Erinnerung behalten.
Die Abfertigung bei Ein- und Ausreise in und aus der Ukraine gestaltete sich wieder einmal zäh und unangenehm. An Hand der Stempel in unseren Pässen wollte man die
Reiseroute durch die verschiedenen Länder nachvollziehen. Das war natürlich nicht möglich, denn wir hatten mehrere Pässe im Einsatz und die mußten wir
herausrücken, um letzte Zweifel an dem Reisegrund zu zerstreuen. Dennoch versuchte man, nachdem dies geklärt war, Geld zu erpressen mit der Androhung, das Auto
ausräumen zu lassen. Wehren kann man sich gegen solche Erpressungsversuche sehr wirkungsvoll dadurch, daß man ganz demonstrativ die Identitäts-Nummer des Beamten
notiert, die er gut sichtbar trägt und dann zum Handy greift, um die Beschwerdestelle des Ministeriums anzurufen. Die Nummer ist ausgehängt. Das hilft todsicher.
Bei der Ausreise an der Grenze zu Ungarn wurde ein deutsches Wohnmobil mit einem alleinreisenden Pensionisten bis auf die letzte Schraube zerlegt, während wir und die
Schlange hinter uns zum stundenlangen Warten gezwungen waren. Wir hingegen konnten nach kurzem Wortwechsel das Land unbehelligt verlassen. Und dabei hatten wir noch Glück! Zu
der Zeit erreichte die Schweinegrippe-Hysterie gerade die Ukraine. Es gab dutzende Todesfälle im Bereich von Lvov (Lemberg), die aber, wie man jetzt weiß, nicht durch
die 'Schweinegrippe' sondern durch TB verursacht wurden. Die große Zahl an Todefällen führte zur vorübergehenden Schließung der ukrainischen Grenzen.
Was das für uns bedeutet hätte, kann man sich leicht ausmalen.
Ist man erst einmal in Ungarn, so ist Wien, die am westlichsten gelegene Stadt Zentralasiens, nur mehr einen Katzensprung weit weg. Das erste und wichtigste was wir dort taten
war, ein bekanntes altwiener Wirtshaus aufzusuchen um dort eine RIESENportion Wiener Schnitzel zu verschlingen! Darauf hatten wir uns seit China gefreut!
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