Blick auf den Mount Everest
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Über das Dach der Welt
Auf nach Lhasa!
Golmud, wichtiger Verkehrsknotenpunkt in der Provinz Qinghai mit großer
mongolischer Minderheit, war Ausgangspunkt für die fast 1200 km lange Fahrt nach Lhasa. Bei PetroChina wurde noch einmal vollgetankt. Das für sehr tiefe Temperaturen
geeignete Diesel (-20) stellte sich, sobald wir in höhere Regionen vorstießen als ziemlich miserabel heraus. Doch mit rauhem Motorlauf, Nageln und schwarzen Rauchwolken
mußten wir ab jetzt immer rechnen.
Der Provinzverwaltung von Qinghai ist sehr an der Förderung des Tourismus gelegen und richtete in dem malerischen Hochgebirge südlich Golmuds einen Naturpark ein, durch
den die Hauptstrasse nach Lhasa führt. An diesem ersten Tag des Aufstiegs auf das Tibet-Hochplateau erreichten wir erst spätabends das elende Nest Tuotuohe am
gleichnamigen Fluß gelegen, der später den mächtigen Yangtze bilden wird. Unterwegs wurden wir stundenlang an diversen Strassenbaustellen aufgehalten und
mußten nach Freigabe der Strecke hetzen, um noch vor Einbruch der Dunkelheit Tuotuohe zu erreichen. Das einzige akzeptable Hotel existierte nicht mehr, sodaß wir
gezwungen waren, im Hof einer wahrhaft miserablen Truckerabsteige zu übernachten. Die Polizei bot uns zwar zuvor ein sauberes Zimmer in ihrem neuen Komplex an, aus
Sicherheitsgründen, das wir aber ablehnten, da wir im Auto übernachten wollten.
Die erste Nacht über 4500 m hatten wir erstaunlich gut überstanden. Vielleicht machte sich die gute Höhenanpassung im Pamir bemerkbar. Doch schon am zweiten Tag
des Austiegs sollte es gleich auf über 5200 m hinaufgehen. Der LandCruiser schaffte die mäßig steile Strasse zum Tanggula Pass mit großen Mühen, eine
riesige Rußwolke hinter sich herziehend. Mit Turbolader und Diesel in normaler Qualität wäre diese Umweltverschmutzung weitestgehend zu vermeiden gewesen. Auf der
Passhöhe verläuft die Provinzgrenze. Ab da waren wir in Tibet. Wir waren begeistert, unserem Ziel Lhasa schon sehr nahe gekommen zu sein!
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Bei regnerischem Wetter erreichten wir unseren ersten Pass auf dem Weg von Golmud nach
Lhasa, den Tanggula Pass mit beachtlichen 5.231 m Höhe.
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Die Landschaft bis Lhasa entsprach so gar nicht unseren Vorstellungen, die wir von Tibet hatten: sanfte
grüne Hügel, aufgetauter, sumpfiger Permafrost-Boden, auf dem weit und breit kein Übernachtungsplatz hätte gefunden werden können. Naqu, eine wichtige
Stadt mit 70.000 Einwohnern, auf 4500 m Seehöhe gelegen, enttäuschte unsere Erwartungen hingegen in keiner Weise: es war tatsächlich besonders windig, regnerisch
und kalt, ganz anders als sich das Wetter in Lhasa präsentieren sollte.
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Typisches Strassendorf auf dem Weg zwischen Naqu und Lhasa
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Das erste was in Lhasa erledigt wurde, noch vor der Hotelsuche, war eine ordentliche Wagenwäsche.
Der LandCruiser war durch die häufigen Schlammpassagen und Wasserdurchfahrten an den Baustellenumleitungen total verdreckt. An der Ortseinfahrt gab es eine Vielzahl von
Autowäschern, die nur darauf warteten, aus Golmud kommende Fahrzeuge mit Hochdruck und Shampoo wieder auf Vordermann zu bringen. Preis des Vergnügens: keine zwei
Euro.
Wang Lun hatte vor langem im berühmten Yak-Hotel im Zentrum Lhasas ein Zimmer reservieren können, was wegen des heftigen Andrangs chinesischer Urlauber und
europäischer Katalog-Touristen nicht so leicht zu bewerkstelligen ist. Hier in Lhasa, am langersehnten Ziel unserer Reise, verbrachten wir einige schöne und interessante
Tage.
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Kaum zu erahnen welch großer Hotelkomplex sich hinter dieser Fassade verbirgt.
Das Yak Hotel ist eine beliebte Absteige am Rande der Altstadt von Lhasa. Nachteil: das Frühstück ist einmalig schlecht!
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Schöne Tage in Lhasa
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Schon bei der Einfahrt nach Lhasa auf dem Weg zum Yak-Hotel bot sich uns ein
überwältigender Anblick. Wie eine unbezwingbare Trutzburg ragt der Potala, auf einem Hügel über dem Großstadtverkehr thronend, in den dunkelblauen
Himmel. Sofort mußten wir an Heinrich Harrer denken, der vor über fünfzig Jahren beim jungen Dalai Lama ständig ein und aus ging.
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Der Potala Palast. Ganz oben rechts der 'Weiße Palast', die Residenz des Dalai
Lamas. Der daran nach links anschließende große Komplex ist der 'Rote Palast', der unzählige Kapellen, Buddhastatuen aller Größen und Grabmäler
früherer Dalai Lamas beherbergt.
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Um den enormen Besucherandrang in vernünftige Bahnen zu lenken, werden die Eintrittskarten zum
Potala Palast kontingentiert. Einen Tag vor dem vorgesehen Besuch ist eine Erlaubnis zum Erwerb von Eintrittskarten zu besorgen. Darauf ist die genaue Zeit vermerkt, zu der man
Eintritt erhält. Das funktionierte ganz gut und wir durften sogar schon eine halbe Stunde früher als erlaubt die Besichtigungstour beginnen. Da wir keiner Gruppe
angehörten, konnten wir uns unbegrenzt Zeit lassen.
Die Baugeschichte des Potala geht bis ins 7. Jahrhundert zurück. Der Palast in heutiger Form wurde erst tausend Jahre später, im 17. Jahrhundert, geschaffen. Je
näher man den miteinander verbundenen Bauteilen, dem 'Weißen Palast', in dem der Dalei Lama residiert(e) und dem 'Roten Palast' mit seinen unzähligen
buddhistischen Kapellen und Grabstätten kommt, umso gewaltiger wirkt der riesige Baukörper. Es ist kaum vorstellbar, wie auf dem 130 m hohen Hügel ein derart
monumentales Bauwerk errichtet werden konnte.
Die Besichtigung könnte sich über Stunden hinwegziehen, uns schreckte die erdrückende Überfülle an Buddhas und anderer heiliger Figuren im Roten Palast
von längerem Verweilen ab. Wir waren froh, jene Räumlichkeiten betreten zu haben, welche die intimen Wohn- und Schlafräume des Dalai Lamas waren, und auch jenen
Raum, in dem er Besucher empfing, wo er also auch mit Heinrich Harrer über Jahre hinweg lange Gespräche führte. Von da aus hatte man auch eine guten Blick zum
größten Heiligtum in ganz Tibet, dem Jokhang Tempel am Rande der tibetischen Altstadt.
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Jokhang Tempel, Lhasa. Bei den seltenen Besuchen in diesem größten Heiligtum
der Tibeter wohnte der Dalai Lama in den Räumlichkeiten unter dem goldenen Dach.
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Mit der Besichtigung des eindrucksvollen Jokhang Tempels, dessen Ursprünge ebenfalls bis ins 7.
Jahrhundert zurückreichen, hatten wir unseren kulturellen Pflichten Genüge getan und widmeten uns nunmehr dem alltäglichen Leben in Lhasa. Was sofort auffällt,
sind schwerbewaffnete Militärposten an wichtigen Straßenkreuzungen in der Innenstadt und Überwachungskameras, wohin das Auge blickt. In der Nacht hörten wir
ganz nahe in der Altstadt dutzende Schüsse, die, wie wir erfuhren, auf einen Tibeter abgegeben wurden, der bei einer Razzia einem Greifer-Trupp entwischte. Es ist durchaus
verständlich, daß die chinesische Zentralregierung mit allen Mitteln versucht, vom Ausland finanzierte und gesteuerte Elemente in Schach zu halten, um es nicht wieder
zu blutigen Unruhen kommen zu lassen.
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In der tibetischen Altstadt Lhasas
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Lhasa ist ein wahres Einkaufsparadies. Mehrere riesige Kaufhäuser bieten Waren aller Art und
Lebensmittel in unüberschaubarer Vielfalt an. Auf den Altstadt-Märkten erhält man billigst Obst und Gemüse aus fernen Regionen. Boutiquen sind spezialisiert
auf Bergsportausrüstung und Kleidung zu Niedrigstpreisen. Die gleiche Ware wird bei deutschen Sportartikelhändlern zum Vielfachen des chinesischen Preises
angeboten!
Eines Morgens beim Früstück eröffnete uns Wang Lun Neuigkeiten: er könne uns nicht durch Tibet begleiten, würde aber für Ersatz sorgen. Der Grund
war uns nicht unbekannt: Durch Tibet reisende Gruppen, und auch wir zwei waren eine 'Gruppe', dürfen nur durch tibetische Reiseführer begleitet werden! Uns war
schleierhaft, wie er es schaffen konnte kein halbes Jahr zuvor, eine Gruppe Autotouristen durch Tibet zu begleiten, ohne einen tibetischen Touristenführer dabei zu haben. Na
schön, um die Reise über die geplante Route fortsetzen zu können, waren wir zu allem bereit. Dank seines enormen Organisationstalentes gelang es Wan Lun unglaublich
schnell, das Führerproblem zu lösen. Am Abfahrtstag war Tashi, ein junger Tibeter, pünklich zur Stelle, um uns bis Ali (Shiquanhe) zu begleiten. Wang Lun wollte
indes mit dem Überlandbus vorausfahren und uns dort in Empfang nehmen.
Tashi war ein netter, sehr umgänglicher Junge, der allerdings den Nachteil hatte, trotz eines Englisch-Studiums in Peking, über keine nennenswerten Kenntnissse dieser
Sprache zu verfügen, worauf sich unsere Konversation im Wesentlichen auf 'yes' und 'ok' beschränkte. Immerhin war er autark, was seine Verpflegung anbetraf und auch die
abendliche Zimmersuche gestaltete sich problemlos. Es war die erste Tour, die er mit Touristen wie wir machen durfte. Er kam aus einem östlichen Landesteil Tibets und hatte
keinerlei Kenntnisse über die Gegenden im Westen Lhasas, die wir nun bereisen wollten. Noch hatten wir keine Genehmigung zum Befahren dieser über 3100 km langen Etappe.
Es lag nun an ihm, diese wichtige Genehmigung in Xigatse zu besorgen. Zu unserer großen Erleichterung schaffte er dies in nur drei Stunden, zu einer Zeit, als für die
Kailash-Region, durch die wir fahren wollten, allen Touristen, ausländischen wie chinesischen, urplötzlich keine Reisegenehmigungen mehr erteilt wurden!
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Zum Mount Everest
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In Lhasa waren uns schon die massenweise auftretenden Katalog-Touristen unangenehmn
aufgefallen. Auf dem Weg zum Mount Everest Base Camp und weiter über Tingri zum Kailash waren sie mit den Staubfahnen, die von ihren nicht endenwollenden LandCruiser-Konvoys
aufgewirbelt wurden und dem rüpelhaft-rücksichtlosen Verhalten der Fahrer, eine echte Plage. Zugegeben, auch wir boten Anlass zu Ärger: bei den
Mountain-Bike-Radlern nämlich, die von Shelkar (Baber) aus die knapp 100 km lange Bergstrasse über einen 5200 m hohen Pass zum Everest Base Camp strampelten,
eingehüllt in dunkle, schwarze Russwolken, die unser Toyota ausstiess, als Zeichen seiner letzten Kraft.
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Parkplatz vor dem Mt. Everest Basecamp in 5200 m Höhe
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Die Bergstrasse endet an einem Parkplatz, umrahmt von kleinen Souvenirständen und
'Hotel'unterkünften in gemütlichen Zelten. Von hier aus nimmt man einen Kleinbus, um noch weitere 100 Höhenmeter hinauf zum Everest Base Camp (ca. 5300 m) zu
fahren. Jetzt im September war hier nicht mehr viel los, die Bergsteiger-Saison schien vorüber zu sein, fast alle Zelte standen leer. Doch erhebend das Gefühl, dem
höchsten Berg der Welt so nahe zu sein, das Ziel der Reise wirklich erreicht zu haben!
Mit uns erfreuten sich hunderte, meist chinesische Touristen, an dem Anblick der eisigen Berggestalt. Lustig zu sehen, wie es beim Photographieren an den besten
Aussichtsplätzen regelrechte Rangeleien unter den Touristen gab. Denn Eile tat Not! Der Bus wartete schon, um die Chinesen ins Chomolungma Hotel in Tingri zu bringen. Wang
Lun hatte auch uns dort ein Zimmer reserviert, dessen horrenden Preis wir allerdings nicht bereit waren zu zahlen, trotz Aussicht auf den Mt. Everest. Wir zogen es vor,
zurück nach Baber zu fahren, wo wir eine zweite Nacht im Hof des beschaulichen 'Tingri Snowlands Hotel' bei netten Wirtsleuten verbrachten.
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Eine nette und freundliche Unterkunft, beliebt bei vielen Reisegruppen, ist das
Snowland Hotel in Bebar (Shelkar), von wo aus die Piste zum Mt. Everest abgeht.
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An der ChinaPetrol-Tankstelle füllten wir sicherheitshalber noch einmal alles auf und starteten nach
Saga. Bis zum Manosarovar See, den wir erst einige Tage später erreichten, fährt man den Himalaya-Hauptkamm entlang, ein wahrhaft phantastisches Panorama in greifbarer
Nähe. Vor allem der Shisha Pangma, mit 8013 m der einzige Achttausender, der ausschließlich auf chinesischem Territorium liegt, lockt zur Besteigung! Trotz klarem
Himmel und strahlender Sonne verschwand der Berg für eine viertel Stunde in einer dichten Staubwolke, wenn wieder einmal ein LandCruiser-Konvoy mit 20 Fahrzeugen in
halsbrecherischer Fahrt über die Wellblechpiste an uns vorbei düste. Die Landschaft ist einfach wunderbar, nur schade, daß wir hier nicht übernachten konnten.
Tashi war aufs Campen leider nicht eingestellt. So ging es also weiter nach Saga, einem elenden Dreckloch, wie wir es kein zweites Mal in Tibet erlebt haben.
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Saga
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Das im Lonely Planet empfohlene Hotel ist ausgebucht. Der LandCruiser-Konvoy war
natürlich vor uns da! So bleibt uns nichts anderes übrig, als wieder einmal einen Hotelhof zu finden, in dem wir unbehelligt stehen können. Tashi ist mit im
hiesigen Yak-Hotel gebotenen billigen Unterkunft sehr zufrieden.
Der Ort ist staubig und verkommen. Zum Trost gibt es eine neue ChinaPetrol-Tankstelle. Viel wichtiger für die verrückten LandCruiser-Piloten sind die auf LandCruiser
spezialisierten Reparaturshops, ohne die ein Weiterkommen für die Harakiri-Lenker wohl kaum möglich wäre. Auch wir nehmen die Dienste eines kleinen Ladens in
Anspruch und lassen den Befestigungsbügel der linken Batterie fachgerecht elektro-schweißen. Kostet gerade mal 1 EUR.
Die an sich auf der Hand liegende Ortsausfahrt Richtung Kailash finden wir erst im zweiten Anlauf, nachdem wir uns gedankenlos auf Tashi verließen und das Tal entlang nach
Westen weiterfuhren. Erst 90 km später, nahe des nepalesischen Mustang, merkten wir unseren Fehler, als die gute Strasse zu Ende war und wir ein entgegenkommendes
Polizeifahrzeug nach dem Weg nach Zhongba fragten.
Dieser Weg existierte zwar, führte aber mitten durch ein Sperrgebiet! Die Polizei escortierte uns also zurück nach Saga. Auf dem Weg dorthin ist ein nur 4800 m hoher
Pass zu überwinden, der schon bei der Runterfahrt, von Saga kommend, uns einen Schauer über den Rücken rinnen liess, so steil war er! Und nun mußten wir
diesen Pass hinauffahren. Eine zunächst aussichtslos erscheinende Sache. Von der Polizei war keine Hilfe zu erwarten, die war in irrsinnigem Tempo rasend schon lange
außer Sicht.
Vor uns warteten schon einige einheimische Motorradfahrer, die sich den Spaß nicht nehmen lassen wollten, zu beobachten, wie wir den Pass bezwingen würden. Kein
ermutigendes Zeichen! Trotzdem blieb nichts anderes übrig, als es zu versuchen. Mit Vierrad und Untersetzung sollte es schon gehen, machten wir uns Mut. Und tatsächlich!
Im ersten Gang der Untersetzung, das Gaspedal bis zum Anschlag durchgetreten, eine entsetzliche Russwolke ausstossend, schafften wir blutschwitzend den Pass und waren
glücklich! In Saga gab es zuerst einmal einen Besuch bei der Polizei und erstaunlicherweise keine Strafe dafür, daß wir die vorgeschriebene Route verlassen
hatten.
Wir tankten erneut und nahmen nun die richtige Ortsausfahrt Richtung Nord. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir den winzigen Ort Zhongba, dem wir am Vormittag schon
recht nahe waren, und durften im Hof des Yak Hotels (das dritte Hotel dieses Namens!) kostenlos übernachten.
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Wir waren froh, diese Übernachtungsmöglichkeit im alten Zhongba gratis nutzen
zu dürfen. Der neugierige LandCruiser-Chauffeur einer kleinen Touristengruppe inspiziert das Fahrzeug, ohne auch nur ein Wort mit uns zu wechseln. Ein alltäglicher
Vorgang!
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Ruhetag am Manasarovar See
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Mit Wang Lun war ausgemacht, daß wir uns am Manasarovar See treffen sollten, wo
genau blieb unklar. Wir würden ihn schon finden, meinte er. Wir fanden ihn nicht. Ein Handy-Anruf ergab, daß er bereits auf dem Weg nach Ali war, 280 km weiter
westlich.
Bei den Hotels an den heißen Quellen in der NW-Ecke des Sees treffen sich die Reisenden und Kailash-Pilger. Der Hof des bekanntesten Hotels war total zugestellt mit
LandCruisern, die hinduistische Pilger über eine beschwerliche Strasse, der indisch-nepalesischen Grenze entlang, über Purang zur Pilgerstätte am Kailash gebracht
hatten. Wir zogen den Aufenthalt in der Natur am Seeufer vor. Nicht dort, wo Mannschaftszelte zur Unterbringung von chinesischen Massentouristen aufgebaut wurden und deutsche
Reiseveranstalter mit Zeltsiedlungen inklusive Küchen- Toiletten- und Duschzelten den empfindlichen Uferbereich schon total ruiniert hatten. Weiter oben in den Hügeln
war es ruhig und ungestört. Dachten wir. Am nächsten Tag erhielten wir Besuch. Irgendjemand aus dem Hotelbereich verlangte Geld für die Übernachtung. 400 Yuan,
etwa 45 EUR sollten wir für nichts bezahlen. Es gab kein Wasser, keine Toilette, kein Zimmer, kein Restaurant. Dafür eine heftige Unterhaltung auf Englisch mit dem
tibetischen Verwaltungschef des Touristenkomplexes. Wir zahlten nicht, denn hier wurde wieder mal versucht abzuzocken. Früh am nächsten Morgen verließen wir die
gastfreundliche Stätte.
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Ansammlung gemütlicher tibetischer Hotels nahe der heißen Quellen im Dorf
Chiu. Links hinten der Kailash. Am Seeufer, mit roten Kräutern dicht bewachsen, zelten Reisegruppen auf sehr weichem Terrain in 4600m Höhe.
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Dem Kailash statteten wir bei der Weiterfahrt keinen Besuch ab, zu groß und chaotisch war der
Touristen- und Pilgerrummel. Ohnehin beeindruckte uns der eindrucksvolle Bergriese im Süden des Sees, der 7727 m hohe Gurla Mandhata, ungleich mehr als der heilige Berg
Kailash, der im Mittelpunkt aller Tibet-Berichte im Fernsehen steht.
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Ali alias Shiquanhe alias Ger
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Wirklich erstaunlich, dieses Ali! Eine rein chinesische Stadt in dieser tibetischen
Abgeschiedenheit, mit vielstöckigen Hotels und Läden aller Art, mit Tankstellen und Restaurants. Die Versorgung erfolgt von Yecheng, an der südlichen Seidenstrasse
gelegen, als Zwischenstation auf dem Weg von Kashgar. Hier sollten wir Wang Lun wieder treffen. Ein kurzer Handy-Anruf und tatsächlich, er kam! Inzwischen hatte er ein Zimmer
reserviert, das übelste auf der ganzen Reise, was aber nicht weiter störte. Für Tashi war bereits die Rückfahrt nach Lhasa per LandCruiser-Taxi organisiert,
das bereits wenige Stunden nach unserer Ankunft in Ali mitten in der Nacht starten sollte. Die Abfahrtszeit war so ungewöhnlich gewählt worden, um langandauernde Sperren
an Strassenbaustellen zwischen Saga und Lhaze noch ungehindert passieren zu können.
Wir waren sehr froh, Wang Lun wieder an Bord zu haben, versprach dies doch eine gewisse Sicherheit, Polizeischikanen, wie wir sie erleben mußten, nicht ausgeliefert zu
sein. Seine ausgeprägte Persönlichkeit verlieh Wang Lun ein ganz anderes Standing bei Diskussionen mit Polizisten und Check Points als der unerfahrene, junge Tashi es
haben konnte.
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Aksai Chin
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Die schwierigsten Etappen auf dem 4300 km langen Weg von Golmud nach Yecheng sollten
uns nun bevorstehen. Die Etappen waren länger als sonst, verliefen durchweg auf Höhen über 4500 m und hielten als 'Überraschung' zwei Pässe mit 5340 m und
5410 m Höhe bereit. Einzige Erleichterung war der gute Zustand der Piste, der auch höhere Geschwindigkeiten erlaubte. Wir querten das von Indien reklamierte unbesiedelte
Hochland von Aksai Chin. In diesem Gebiet war Übernachten von den Chinesen ausdrücklich verboten.
Der erste Tag nach Verlassens von Ali verlangte unserem Auto schon das letzte ab: Über eine mäßig steile, gut ausgebaute Piste mußte es über 700
Höhenmeter den höchsten Punkt unserer gesamten Tour, den 5.410 m hohen Satsam La (Pass), erklimmen. Im ersten Gang konnten wir die Steigung nur dadurch bewältigen,
daß wir 'private' Serpentinen auf der breiten Piste fuhren, eine ungeheure Rußwolke ausstoßend, was angesichts der Höhe, des miserablen Diesels und der
Tatsache, daß unser Motor über keinen Turbolader verfügt, eigentlich fast normal war. Der nächste Tag sollte eine weitere Herausforderung gleicher Art
bereithalten.
Vor der Grenze zum Aksai Chin, die Dämmerung war bereits hereingebrochen, fanden wir schließlich doch noch einen akzeptablen Schlafplatz, auf 5.190 m Seehöhe. Es
war bitter kalt, Wang Lun kämpfte verzweifelt gegen den Sturmwind, bis wir erst bei Dunkelheit sein fragiles Zelt aufgestellt hatten, im Windschatten fest vertäut an dem
Toyota. Ein weiteres Mal fiel ein warmes Essen aus, es war einfach zu kalt und zu windig. Der sternenklare Himmel versprach nichts Gutes. Eisestemperaturen waren am Morgen zu
erwarten.
Nach Sonnenaufgang maßen wir tatsächlich -10°, die Wagenfenster waren innen mit Eis überzogen, der Sturmwind hatte sich aber gelegt. Jetzt hegten wir die
schlimmsten Befürchtungen, ob der Motor in dieser Höhe bei derart niedrigen Temperaturen wohl anspringen würde, obwohl wir "-20" Diesel getankt hatten. Um den
Startvorgang zu unterstützen, ließ ich die Zusatzheizung bis zur Abfahrt laufen. Wir waren unendlich erleichtert, zu erleben, wie der Motor sofort ansprang und laut
nagelnd lief, allerdings nicht ohne die beim Start übliche Rauchfahne kurz auszustoßen.
An diesem Tag stand uns wieder eine lange Etappe bevor. Einer schnellen Piste über die kahle Hochebene des Aksai Chin folgend, nicht ohne einen weiteren 5340 m hohen Pass
mühsam zu queren, ging es schließlich recht unvermittelt vom Hochland hinunter in das enge Flußtal des Karakash He. Wir hatten Tibet damit verlassen und die
Provinz Xinjiang erreicht, und zwar ohne daß sich, glücklicherweise, in den letzten Wochen Symptome der nur allzu oft tödlich verlaufenden Höhenkrankheit
gezeigt hätten.
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Am nördlichen Ende der Fahrt durch die Aksai Chin Hochebene wartet noch ein 5340 m
hoher Pass auf uns. Dann geht es 1500 m steil hinunter ins Flußtal des Karakash He.
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Über den Kuen Lun nach Yecheng
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Die dünne Luft des Aksai Chins hatten wir nun hinter uns gelassen. Die Hoffnung
trog, endlich aus den Bergen herauszukommen und wieder die Wohltaten der Zivilisation geniessen zu können. Die wenigen Häuseransammlungen im Tal, die wir passierten,
namens Dahongliutan, Xaidullao oder Mazar luden nicht gerade zu längerem Verweilen ein, wir drängten stets auf baldigste Weiterfahrt nach Yecheng. Zuvor waren,
völlig unerwartet, zwei fast 5000 m hohe Pässe bei der Querung des bizarren Kuen Lun Gebirges zu überwinden. Eine penible Armeekontrolle bei Akezi filzte sehr
gründlich alle einheimischen Fahrzeuge, wobei ein Trupp Soldaten mit Gewehren im Anschlag die Szenerie beobachtete. Es war vermutlich Wang Lun zu verdanken, daß wir
verschont blieben. Ganz allmählich kamen wir den Vorbergen des Kuen Lun näher, dann der sandigen Ebene vor den Bergen und schließlich den kargen Gärten
Yechengs. Hier wollten wir über Nacht bleiben und nach langer Zeit wieder einmal ein Inzersdorfer-Gulasch kochen. Wang Lun war damit aber gar nicht einverstanden. Für
ihn gab es einen Sandsturm, von dem wir aber nichts bemerken konnten. So stand uns also wieder einmal eine Hotelübernachtung bevor. Und wieder einmal gab es nichts Gescheites
zu Fressen!
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Zur Photogalerie Tibet
Zur Fahrt durch die Takla Makan
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