Kirchen, Aprikosen und Kaffee
Obwohl wir die einzigen Grenzgänger an diesem Morgen waren,
schien es, als zöge sich die Erledigung der Einreiseformalitäten endlos hin.
Die armenischen Beamten waren freundlich und hilfsbereit, was sie aber nicht davon abhielt, für Touristenvisa,
Autoversicherung und Strassenbenutzungsgebühr ordentlich abzukassieren, alles in allem an die 60 Euro.
Die Landschaftsform bis zur ersten Stadt in Armenien, Gyumri, erinnerte uns stark an die nördliche Mongolei:
eine weite, grüne, sanft gewellte Hochebene, gegliedert duch niedrige Bergrücken.
Sie erstreckt sich auf fast 2.000 m Seehöhe bis in die Osttürkei hinein und nach Georgien.
Gyumri wurde vor einigen Jahren durch ein heftiges Erdbeben schwer zerstört.
In den Randbezirken der Stadt liegen immer noch Trümmer
von jener Katastrophe im Winter 1988, die so viele Menschenleben forderte.
Wir kamen im Hotel Berlin unter, wo das Deutsche Rote Kreuz neben einem modernen Hospital ein
äußerst komfortables Hotel betreibt, das eigentlich als Unterkunft für
ihr in Gyumri eingesetztes Hilfspersonal gedacht war.
Von weitem sichtbar, ragt aus der Hochebene ein schneebedeckter Berggipfel empor. Es ist nicht der Ararat, wie
man vermuten könnte, sondern der 1000 Meter niedrigere Aragats (4.090m). Bis auf 3.200 m Seehöhe führt
eine schmale Teerstraße in Richtung Gipfel. Schluß ist erst an einem kristallklaren Bergsee,
neben dem sich das Gelände der
Cosmic Ray Division des Yerevan Physics Institutes ausdehnt.
Die Gebäude machen ganz und gar nicht den Eindruck, daß hier internationale
Spitzenforschung betrieben wird. Alles sieht schon etwas alt und verkommen aus.
Immerhin existiert diese Forschungseinrichtung bereits seit Anfang der 50er-Jahre.
Aktuelle Forschungsberichte
beweisen aber, daß hier nach wie vor erfolgreich im internationalen Rahmen gearbeitet wird.
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unscheinbar das Forschungsinstitut für kosmische Strahlung am Berg Aragats in 3.200 m Seehöhe
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Auch für Bergsteiger ist der Aragats nicht uninteressant.
Von seinem leicht erreichbaren Südgipfel hat man einen
überwältigenden Rundblick über halb Armenien.
Natürlich beherrscht der Schwesterberg Ararat die Szenerie.
Der Nordgipfel ist über loses Geröll allerdings nicht so leicht zu erklimmen.
Von Yerevan aus sind sowohl Aragats als auch Ararat, das Nationalsymbol Armeniens,
zu erblicken, der, obwohl nur 55 km von Yerevan entfernt, häufig im Dunst verborgen bleibt.
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Blick vom Hotel Shirak zum Ararat
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Die Hotelsuche in Yerevan gestaltete sich recht einfach. Auf Anhieb hatten wir das Hotel Shirak gefunden,
ein gepflegtes Großhotel im sowjetischen Stil, unweit des Stadtzentrums gelegen. Es gab zwar keinen abgeschlossenen
Parkplatz, gegen ein paar Dollar versprach der freundliche Parkwächter aber,
rund um die Uhr ein Auge auf unser direkt vor dem Eingangsportal geparktes Auto zu werfen.
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Wohnviertel gegenüber Hotel Shirak
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Wir waren natürlich sehr neugierig, diese im Westen wenig bekannte Stadt zu erkunden. Das Auto
blieb stehen, denn vom Hotel aus konnte man alles Interessante sehr bequem zu Fuß erreichen.
Was einem als erstes auffällt und erschreckt, sind die noch während der Stalin-Zeit
entstandenen gigantischen Bauten aus rosa Tuffgestein, deren Fassade durch haushohe Rundbogenfenster im
armenischen Stil gegliedert ist. Der Hauptplatz der Stadt, der Platz der Republik,
ist rundum von diesen erdrückenden Bauten umgeben. Sie beherbergen unter
anderem die Post, das Marriot Hotel, das Außenministerium sowie das Finanz- und Wirtschaftsministerium.
Freie Parkplätze Fehlanzeige! Alles ist vollgestellt mit Luxuslimousinen und SUVs.
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Hauptpostamt am zentralen Platz der Republik
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In bester Citylage wurde ein modernes Luxusquartier errichtet.
Zwischen Platz der Republik und dem neuen Opernhaus erstreckt sich eine
Einkaufsmeile, in der alle aus der westlichen Welt bekannten Luxusmarken
vertreten sind. Edle Bars, Espressos und feine Restaurants laden zum Verweilen ein.
Was die in den riesigen Baukörpern untergebrachten Wohnungen und Büros
betrifft, so hat es den Anschein, als seien diese nur sehr schwer an den Mann zu
bringen.
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viele leerstehende Objekte zwischen Platz der Republik und Oper
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Investitionsruinen?
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Hat man die auf 'moderne Weltstadt' getrimmte Atmosphäre der Nördlichen
Avenue hinter sich gelassen, gelangt man, gleich neben dem Opernhaus, zu einer Art
Vergnügungspark mit besten Restaurants jeglicher Geschmacksrichtung. Unter schattigen
Bäumen und zu sehr gemäßigten Preisen kann man sich hier verwöhnen lassen.
Wir hatten lange nach einem akzeptablen Restaurant gesucht. Dummerweise
existierten die an Hand des Führers ausgewählten kaukasischen
Restaurants nicht mehr. Die anstelle dessen eröffneten Pizza-Imbisse
und chinesischen Lokale waren beileibe kein Ersatz für gute armenische Küche.
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Park in Opernnähe, ein Paradies für Restaurantbesucher
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Das neue Viertel um die Oper, wo sich die Reichen und Schönen zeigen,
ist natürlich nicht typisch für Yerevan. Yerevan ist im Prinzip immer
noch eine Großstadt russisch-sowjetischen Stils mit breiten Ringstraßen, vielen
Parks und riesigen Einkaufszentren, die mit einer unüberschaubaren
Vielfalt unterschiedlichster Miniläden vollgepfropft sind (sog. 'Russischer Bazar').
Da trifft man auch keine gutsituierten Bürger mehr, sondern das 'gemeine' Volk,
das sich mehr schlecht als recht durchs Leben kämpft.
Trotz aller Sparsamkeit, auf zweierlei verzichten die Menschen nicht:
Auf Aprikosen und Kaffee! Beides wird überall im Lande in einer unglaublichen
Vielfalt und Menge angeboten. Vor Kaffeegeschäften breiten sich nicht selten dutzende
prallgefüllte Säcke mit Arabica-Bohnen aus, in allen Qualitäten
und Röstungen. Aprikosen ist das vorherrschende Obst, in jedem noch so kleinen
Garten findet man die Bäume. Die besten Früchte
kommen aus den warmen südlichen Regionen Armeniens.
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verschlafene Yerevaner Altstadt. In jedem Garten Aprikosenbäume
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Während die nördlichen, hochgelegenen Landesteile ein sehr angenehmes Klima
aufweisen, wird es im Süden schon merklich wärmer. Wir wollten hinunter bis nach Agarak
an der iranischen Grenze fahren, um von dort aus, der 'armenischen Seidenstrasse' nach Norden folgend,
das zweite Mal auf dieser Tour nach Georgien einzureisen. Der Grenzübergang
von Armenien in die Türkei auf dem Weg von Gyumri nach Kars ist bedauerlicherweise
immer noch nicht geöffnet, ebenso jener von Igdir nach Yerevan.
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Hinweistafel am südlichen Anfang des armenischen Abschnittes der Seidenstrasse bei Agarak
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Gleich hinter Yerevan auf dem Weg nach Süden nimmt die Dichte an Touristenbussen
gewaltig zu. Sie alle steuern die weithin bekannte Pilgerstätte Khor Virap an.
Die Ursprünge des Klosterbaus gehen bis ins 6. Jahrhundert zurück, der
weithin sichtbare Kirchenbau ist neueren Datums (17. Jhdt.).
Das Kloster ist eine Art Nationalheiligtum, da sich von hier aus vor 1500 Jahren das
Christentum in Armenien verbreitete. An dieser Stelle wurde auch schon bereits 180 v. Chr.
die erste Hauptstadt der Armenier errichtet.
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Khor Virap: Anfänge der St.-Georgs-Kapelle reichen bis ins 6. Jhdt. zurück
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Armenien ist übersät mit christlichen Kirchen. Ihnen allen ist gemeinsam
der halbhohe, kegelförmige Turm und der zumeist kleine Baukörper mit seinem
rohen, düsteren, gruseligen Innenraum. Welch ein gewaltiger Unterschied zu den
prachtvollen islamischen Moscheen aus der gleichen Epoche!
In Yerevan wurde in den letzten
Jahren eine riesige Kirche im armenischen Stil erbaut, die aber ebenfalls keine
positive Ausstrahlung hat, vielmehr kalt und brutal wirkt. Ganz im Gegensatz
zur phantastischen Baukunst der neuen Großmoschee in Abu Dhabi!
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Kapelle am Sevan See nahe Noratus
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Dorfstrasse
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bescheidener Markt von Martuni (Sevan See)
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verfallene Bauten aus der Sowjetzeit
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Je weiter wir nach Süden kamen, umso mehr galt unser Interesse den
Schönheiten der Natur. Die Strasse von Goris über Kapan zur iranischen
Grenze durchquert waldreiche Naturschutzgebiete, windet sich in Serpentinen durch
hochgelegene Bergwiesen mit prächtigen Ausblicken bis tief nach
Nagorno-Karabagh und den Iran hinein, quert einige Pässe und endet schließlich
im grünen Azar-Tal, an dessen südlichem Ufer bereits die schroffen Berge
einen kleinen Vorgeschmack von den landschaftlichen Schönheiten des Iran vermitteln.
Auf dem Wege von Kapan nach Agarak, an der Grenze zum Iran, trifft man auf
eine bestens erhaltene Karawanserai aus dem 13. Jahrhundert. Sie zeugt von dem
regen Handelsverkehr früherer Jahrhunderte entlang diesem armenischen Ast
der Seidenstrasse.
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Karawanserai aus dem 13. Jahrhundert
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Übrigens: auf keiner unserer vielen Reisen in heiße Regionen haben wir derart
viele Schlangen gesehen, wie auf dieser Reise! Nicht einmal in Turkmenistan. Die
bis zu gut eineinhalb Meter langen Tiere waren gerade dabei,
sich über die heiße Fahrbahn zu schlängeln oder hatten das Pech gehabt,
von Autos überrollt worden zu sein.
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Blick von den Meghrul-Bergen nach Süden in Richtung Iran
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seit Tagen versperrt eine gewaltige Mure die Fernstrasse von Goris zur iranischen Grenze
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rechts, auf der südlichen Seite des Araz-Flusses die schroffen Berge des Irans
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kurz vor dem Grenzübergang in den Iran
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Zum Schluß noch ein praktischer Tip: Bei der Ausreise nach Georgien
bei Bagratashen werden am armenischen Zoll eine Zollgebühr in Höhe
von 6.500 AMD fällig und darüberhinaus beim 'Broker', der die Zollabwicklung
erledigt, noch einmal 1.000 AMD. (entspricht insgesamt etwa 14 EUR). Geldwechsel am
Grenzposten möglich.
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Und
hier geht's weiter nach Nagorno Karabagh
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