Vier Jahre nach Verkauf des HZJ75 Wiedersehen mit Leonid in Aktöbe
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Zu Besuch bei Freunden in Aktöbe
Daß Kasachstan ein riesiges Land ist, wird einem erst so richtig bewußt,
wenn man an die Routenplanung geht. Von der chinesischen Grenze bei Korgos bis zur russischen Grenze bei Ozinki sind es fast 4000 km! Es gibt natürlich auch kürzere
Transitrouten durch Kasachstan, wir wollten aber unbedingt unsere alten Freunde in Aktöbe wiedersehen und waren neugierig, welche Erfahrungen und Erlebnisse sie mit unserem
ehemaligen HZJ75 in den letzten vier Jahren gemacht hatten.
Wir waren sehr erleichtet, als wir nach knapp sechs Wochen China verlassen hatten und endlich wieder durch heimelige russische Dorfidyllen fuhren und in einfachen
Gasthäusern gut und billig essen konnten. Was wirklich störte war, daß wir auf 60 Kilometer Wegstrecke drei Mal von Dorfpolizisten grundlos angehalten wurden und
jedesmal fürchten mußten, zur Kasse gebeten zu werden.
Da wir schon mal in der Gegend waren, wollten wir diesmal dem Sharyn-Canon einen Besuch abstatten. Dies hätte auch den Vorteil gehabt, dort ungestört und sicher
übernachten zu können. Kurz vor Sonnenuntergang erreichten wir die Pforte zum Naturpark. Gleich stürzten sich mehrere Kasachen auf uns und bestätigten,
daß wir hier im Auto übernachten könnten. Es wäre lediglich eine Gebühr von 30 EUR fällig. Nach langem Verhandeln lag der Übernachtungspreis
bei 3 EUR mit der Maßgabe, daß wir noch vor Sonnenaufgang wieder verschwinden sollten. Da es inzwischen schon dunkel wurde, akzeptierten wir die Forderung und waren
bereit zu zahlen. Doch der Kassier wollte das Wechselgeld erst am nächsten Morgen herausrücken. Das reichte, um 'auf Wiedersehen!' zu sagen. Etwas abseits in der
wunderschönen Naturlandschaft fanden wir dann noch einen ruhigen Platz - ohne zu zahlen!
Almaty war weiter wild gewachsen, das Verkehrsaufkommen explodiert. Innerhalb von zwanzig Minuten sahen wir drei Verkehrsunfälle, offensichtlich verursacht durch rowdyhaftes
Benehmen. Wir waren froh, als wir endlich, mehr durch Zufall, die Überlandstraße M36 nach Astana gefunden hatten.
Da wir in Almaty nicht anhielten um Brot zu kaufen, mußten wir dieses unterwegs besorgen. Auf dem Weg zum Balqash See bot sich dazu in Aqsügek die erstbeste
Gelegenheit. Dazu mußten wir von der Hauptstrasse abbiegen und 4 km zum Ort fahren. Je näher wir kamen, umso deutlicher wurde die gespenstische Szene:
Schätzungsweise 80 % des Ortes lag in Trümmer, das Gemeindeamt mit der Leninstatue davor blieb eigenartigerweise verschont. Es waren kaum Menschen zu sehen. Die
Brotverkäuferin wollte uns nicht bedienen, bis ein Mann sie energisch dazu aufforderte. Offenbar litt sie immer noch an einem Trauma. Es muß sich wohl um ein schweres
Erdbeben gehandelt haben, das vor Jahren bereits den Ort verwüstete. Die kasachische Regierung brachte es in der Zeit nicht fertig, den Menschen zu helfen und ihnen ein neues
Dach über dem Kopf zu verschaffen, werden doch irrwitzige Summen für protzige Hochhausbauten in Astana benötigt!
Gleich hinter Chemolgan, keine 40 Kilometer vom westlichen Ortsrand Almatys entfernt, beginnt die Steppe, eine unendliche naturbelassene Weite, die wir erst an der Wolga bei
Saratov nach 3700 km hinter uns lassen sollten. Hin und wieder tauchen einsame, verarmte Dörfer auf, meist wie tot erscheinend. Das Leben konzentriert sich in den
größeren Städten wie Karaganda, Qustanaj, Astana oder Aktöbe. Aktöbe war unser Ziel!
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Auf dem Wege von Korgos nach Aktöbe waren Rastplätze dieser Art in der Steppe
leicht zu finden. Wir hatten Glück, daß, wegen lange ausgebliebenen Regens, die Böden trocken und die Plätze daher problemlos zu erreichen waren.
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Vier Jahre kann eine lange Zeit sein! Sie genügte, den Weg zum Aktöbe Hotel, in dem
wir vor vier Jahren viele Tage voll Verzeiflung verbracht hatten, nicht mehr zu finden. Schließlich lotste uns ein Taxifahrer dort hin. Es hatte sich nicht viel
geändert, bis auf die Zimmer, die schön renoviert worden waren. Eine besonders liebe Überraschung erlebten wir, als uns die kasachische Chefin des Zimmerpersonals
wiedererkannte und in die Arme schloß! Sie hatte uns schon vier Jahre zuvor Trost gespendet und uns damals auf das Herzlichste verabschiedet.
Leonid hatten wir von unterwegs immer wieder per eMail vom Stand unserer Tour informiert. So war es kein Wunder, daß das Zusammentreffen mit ihm am nächsten Morgen in
seinem Toyota Autocenter Asia sofort klappte. Zhenya, der neue Eigentümer unseres alten HZJ75 war auch da und Vladimir, ein junger Mann mit perfekten
Englisch-Kenntnissen, der extra Urlaub genommen hatte und geduldig als Dolmetscher agierte. Volodja, der rührige Werkstattchef kümmerte sich mit seinem Team
fachmännisch um das Auto.
Nach dem herzlichen Empfang war es schon ziemlich peinlich, Leonid gleich um einen großen Gefallen bitten zu müssen. Am Tag unserer Ankunft in Aktöbe wollten wir
nachholen, wofür wir in den Tagen seit Einreise nach Kasachstan keine Zeit und Möglichkeit fanden: die Pass-Registrierung bei der Immigrationsbehörde. Gleich nach
Ankunft im Hotel tags zuvor suchten wir die Behörde auf, nur um zu erfahren, wir hätten die Frist zur Registrierung um 10 Tage überschritten, was mit einer saftigen
Strafe geahndet werden müsse. Leonid erklärte sich sofort bereit, uns zu helfen und so machten wir uns alle auf den Weg, mit Vladimir als Dolmetscher. Was nun kam, war
mehr als ärgerlich. Stundenlange nutzlose Diskussionen mit kasachischen Beamten. Es ging offensichtlich nur darum, 500 EURO zu kassieren! Nach langem Hin und Her, nach
schriftlichem Schuldanerkenntnis in 3-facher Ausfertigung, jeweils in Englisch und in Russisch, lies man uns gehen, mit Registrationsstempel im Pass! Wir waren erleichtert. Am
Abend neue Nachrichten. Leonid kam bleich zu uns um zu berichten, er habe einen Anruf erhalten, wir sollten beim Chef der Behörde antanzen und 100 EUR 'Strafe' zahlen und
nicht 500 wie bisher gefordert. Das sei angeblich ein ganz besonderes Entgegenkommen. Unsinn! Das Geld würde genauso wie die ursprünglichen 500 Euro in seinen Taschen
verschwinden. Eines war klar: wir würden nicht bezahlen und so schnell wie möglich Kasachstan verlassen.
Zuerst mußte aber noch der Internet-Zeitung 'DIAPAZON' (Panorama) ein Interview gegeben werden. Eineinhalb Stunden stand ich dem ahnungslosen Journalisten Rede und Antwort.
Was dabei herausgekommen ist? Ein unsinniger Artikel mit verdrehten und falsch verstandenen Aussagen. Hiesige Zeitungen hätten den Mann sicher gerne gleich als Ressortleiter
eingestellt!
Inzwischen war der LandCruiser durchgecheckt und soweit nötig gewartet und instand gesetzt worden. Der Abreise stand nichts mehr im Wege! Zuvor lud Zhenya zum Abendessen im
Kreise von Freunden und der Familien. Der Tisch bog sich nur so von deftigen kasachischen und russischen Speisen! Selbstverständlich blieb ich von Trinksprüchen nicht
verschont, eine sehr ungewohnte Erfahrung. Am nächsten Morgen starteten wir zur letzten Etappe, noch einmal 3.900 km bis nach Hause.
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