Kyzyl Art Pass
am Kyzyl Art Pass (4.336 m) auf dem Weg nach Kirgistan



Pamir, Wakhan und das Alau Tal

Wie von den Usbeken nicht anders gewohnt, war die Abfertigung an der Grenzstation in Oybek freundlich und unproblematisch. Zweihundert Meter weiter, an der tadjikischen Grenze, lief es nicht mehr so reibungslos. Die Beamten waren zwar sehr zuvorkommend aber etwas unbeholfen mit der Abwicklung der vorübergehenden Einfuhr eines Touristenfahrzeugs. Erschwert wurde alles durch einen Stromausfall, der es erforderte, eine Schreibmaschine als Ersatz für den Computer aufzutreiben. Nach zwei Stunden hatten wir immerhin eine für vier Wochen gültige Importerlaubnis für unser Auto und alle Stempel im Pass.

Über eine von Chinesen neu erbaute Strasse ging es ins brütend heiße Khujand, wo wir uns nach einem klimatisierten Hotelzimmer umsahen, aber in einer privaten Unterkunft landeten. Diese war für lokale Verhältnisse sicherlich luxuriös, jedoch nicht klimatisiert und die Toilette praktisch nicht benutzbar. So flohen wir schon am nächsten Tag, nach Besuch des Marktes, in Richtung Dushanbe.

Wir waren keine zwei Stunden gefahren, als wir durch eine Strassensperre an einer Baustelle aufgehalten wurden. Vor uns standen schon ein halbes Dutzend Fahrzeuge, deren Insassen es sich im Schatten der Bäume bequem gemacht hatten und ein Picnic veranstalteten. Man riet uns, sich zu gedulden, erst am Abend nach 19 Uhr würde die Strasse wieder freigegeben. Dies bedeutete einen unfreiwilligen Aufenthalt von acht Stunden! Mit der Zeit füllte sich der Platz vor der Absperrung immer mehr, bis kurz vor der Öffnung wohl einige hundert Fahrzeuge ein wahres Chaos produziert hatten. Viele versuchten, sich durch Vordrängeln einen günstigen Startplatz zu erkämpfen, einige versuchten sogar, die Absperrung im Gelände zu umgehen, blieben aber stecken oder wurden zurückgeholt. Ein vornehmer Tadjike war über die Disziplinlosigkeit seiner Landsleute verzweifelt und entschuldigte sich bei uns vielmals für deren oft rüpelhaftes Benehmen, das auch wir zu spüren bekamen.


Warten auf die Öffnung der Shakhristan-Passstrasse
Seit einer halben Stunde warten wir erst an der Strassensperre, die die Fahrt über den Shakhristan-Pass (3.370 m) verhindert. Nach 8 Stunden Wartezeit werden sich hier hunderte von Fahrzeugen Blech an Blech drängen, um einen möglichst günstigen Startplatz für die nächtliche Hetzjagd zu ergattern.


Wie angekündigt, gaben die chinesischen Bauleiter die Fahrt um 19 Uhr frei. Was dann passierte, spottet jeder Beschreibung. In der einsetzenden Dunkelheit startete ein brutales, rücksichtloses Wettrennen über den Shakristan-Pass. Es wurde gleichzeitig rechts und links überholt, gedrängelt und die nachfolgenden Fahrzeuge in dicke Staub- und Abgaswolken eingenebelt. Besonders gefährlich wurde es dann in den höheren Regionen der Passstrasse, als es bereits Nacht war. Talseitig war die zerfurchte Erdstrasse von weit in die Fahrbahn hineinreichenden Auswaschungen zerstört, über die man im Gedrängle leicht in den Abgrund hätte stürzen können. Wie die meist schrottreifen PKW diese Hetzjagd unbeschadet überstehen konnten, blieb ein Rätsel. Von der Passhöhe sah man, bis weit ins Tal hinunter, eine nicht endenwollende Kette roter Rücklichter. Wie durch ein Wunder schafften wir es bei tiefer Dunkelheit Ayni zu erreichen, wo wir am Parkplatz des Flugfeldes, wie vor vier Jahren schon, ungestört übernachten konnten.

Ein weiteres Abenteuer dieser unerwünschten Art hätte uns bei der Fahrt über die noch im Bau befindliche neue Strasse über den Anzob-Pass erwartet. Wir zogen es daher vor, die alte, noch befahrbare Passstrasse zu nehmen, die für robuste Fahrzeuge leicht zu bewältigen ist.

Zuvor hatten wir noch einige Tage zur Erholung von der Hitze der letzten Wochen und zur ersten Höhenanpassung am Alexander See in den Fan Mountains verbracht, einem bekannten Trekkinggebiet. Leider erlebten wir hier den ersten und gottseidank letzten Schock auf unserer gesamten Reise. Mitten in der Nacht wurden wir durch ungewohnte Geräusche am Wagen aufgeweckt. Ein Rundgang ums Auto erbrachte, daß der rechte Vorderreifen platt war! Völlig ungewöhnlich bei den BFG MT, die wir fuhren. Am nächsten Morgen war tatsächlich eine kleine Verletzung der äußeren Reifenflanke zu erkennen. Das beuruhigte uns sehr, denn ohne intakten Reservereifen wäre die Weiterfahrt zum Risiko geworden. In Dushanbe konnte der defekte Reifen demontiert werden. Der 'Vulkanisateur' verfügte aber keine Reparaturmittel und war froh, daß wir welche dabei hatte.


Strasse in den Fan Mountains
Strasse in den Fan Mountains



Seit unserem letzten Besuch in Dushanbe vor vier Jahren hat die Bautätigkeit stark zugenommen. Woher das Geld dazu kommt, ist rätselhaft, denn Tadjikistan steht am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Zeitweilig konnte die Regierung nicht einmal das Geld zum Import von Öl aufbringen. Der Straßenverkehr in Dushanbe hat enorm zugenommen, es gab schon regelrechte Staus in der Innenstadt. Allerdings wird die Rudaki Allee immer noch gemieden, da dort ein wahres Heer von Polizisten gnadenlos abkassiert. Fahrer von Luxus-SUVs oder dicken BMW mit abgedunkelten Scheiben bleiben allerdings ungeschoren.

In den Wochen vor unserer Ankunft in Tadjikistan gab es wieder einmal heftige Kämpfe zwischen aus dem Asyl zurückgekehrten aufständischen Generälen mit ihren Hilfstruppen und der Regierungsarmee, unterstützt von russischen Helikoptern. Das spielte sich ab in der Region von Tavildara, an der Hauptstraße M41 nach Khorog gelegen. Von verschiedenen Seiten riet man uns aus Sicherheitsgründen ab, diesen Weg ins Pamir zu nehmen und lieber dem Pjandz entlang von Kulyab nach Kalaikum zu fahren. Dabei übersahen diese Spezialisten aber völlig, daß die Straße wegen Bauarbeiten gesperrt ist und ohnehin vier breite Bergbäche quert! Wir beschlossen also, über die M41 nach Tavildara und den Khaburobot-Pass zu fahren. Eine gute Entscheidung, denn von den Kämpfen mit vielen toten Zivilisten war nichts mehr zu sehen, von zahlreichen Checkpoints des Militärs mal abgesehen.


Khaburobot-Pass
Schlüsselstelle am Khaburobot-Pass zwischen Tavildara und Kalaikum. Hier versperrte im Frühjahr 2002 ein gigantischer Felssturz die Strasse. Noch heute sind die Reste des haushohen Felsblocks in Bildmitte zu sehen. Im Abgrund Felstrümmer, die von der Felswand permanent in die Tiefe stürzen.


Khorog, mit seinem luxuriösem Serena-Hotel, der Aga Khan-Universität und Internet Cafes, macht keinen sehr positiven Eindruck. Abends sollte man die Strassen besser meiden, es treibt sich da zu viel Gesindel herum. Der Markt ist schäbig und die wenigen Restaurants nicht sehr einladend. Dennoch erstaunlich die große Zahl an riesigen Sattelschleppern, die Waren aus China nach Tadjikistan bringen und durch Khorog fahren. Kennt man die engen und oft halsbrecherischen Passagen auf der Strecke von Khorog nach Dushanbe, so fragt man sich, wie diese Fahrzeuge da überhaupt durchkommen sollen.

Wir verließen Khorog in südlicher Richtung entlang des Pjandz, nicht ohne der schon von Marco Polo erwähnten Rubin-Mine hoch in den Bergen einen Besuch abzustatten. Statt schöner Mineralien bot man uns nur Spinelle zu unglaublichen Preisen an, worauf wir dankend verzichteten. Im Gegensatz zu Khorog fühlten wir uns in Ishkashim recht wohl, einem noch idyllischen kleinen Ort an der Grenze zu Afghanistan. Jeden Samstag strömen hunderte Afghanen zu dem mitten auf einer Flußinsel eingerichteten Markt, um regen Handel mit den tadjikischen Nachbarn zu treiben, die ebenfalls von weit her angereist kommen.


Ishkashim, Pjandz-Tal
Ishkashim, ein kleines ruhiges Örtchen mir freundlichen Bewohnern am Pjandz. Die Berge im Hintergrund liegen bereits in Afghanistan.


Hinter Ishkashim weitet sich das Pjandz-Tal. An manchen Stellen ist es über mehrere Kilometer hinweg von einer Seite zur anderen hin überflutet und damit auch der Fahrweg auf afghanischer Seite. Blickt man hinauf zu den Bergen auf der südlichen Talseite, glaubt man seinen Augen nicht zu trauen! So überwältigend ist der Anblick der bizarren, abweisenden Eisgipfel des Hindukush!


Pjandz mit Hindukush Kette (Afghanistan)
Die Schneeschmelze im Hindukush produziert gewaltige Wassermassen, die den Talgrund des Pjandz über weite Strecken hinweg zur Gänze überschwemmen. Das ist der Grund, weswegen eine Fahrt durch den Wakhan-Korridor nicht möglich war.


In Layangar (Langar) teilt sich das Tal. Hier vereinen sich der aus dem Nordosten kommende Pamir Fluß mit dem aus dem Osten fließenden Wakhan, der dem Wakhan-Korridor Afghanistans seinen Namen gegeben hat. Im Wakhan-Korridor setzt sich die Landschaftsform fort, die wir im Pjandz-Tal seit Ishkashim beobachten konnten. Der Pamir Fluß hingegen rauscht aus den Bergen der südlichen Alígur-Kette herunter und schneidet vor Layangar eine hundert Meter tiefe Schlucht in die verfestigten Geröllhalden.


Layangar
Nach Layangar windet sich der Weg hinauf in die Wakhan-Berge. Von hier aus hat man einen wunderbaren Blick auf den Zusammenfluss von Pamir und Wakhan, sie bilden den Pjandz, der im späteren Verlauf den Namen Amu Darja trägt. Der Wakhan-Korridor (im Hintergrund) ist im Prinzip die Fortsetzung des Pjandz-Tales nach Osten hin. Er endet östlich des Chakmatyn Sees am Wakhir-Pass, der Grenze zu China, und unweit von Shaymak in Tadjikistan, das wir im Verlauf der Reise später besucht haben.


Pamir Fluss mit Hindukush Der aus dem in über 4000 m Höhe gelegenen Zorkul (See) abfließende Pamir Fluß stürzt steil hinab ins Wakhan-Tal, wo er bei Layangar in den Wakhan mündet. Die unglaubliche Erosionskraft des Pamir hat eine hundert Meter tiefe Schlucht in die verfestigten Geröllhalden gefräst. Auf dem kahlen Berghang links zu sehen der bescheidene Pfad in Richtung Zorkul, vorbei an einer unscheinbaren Karawanserei, die schon von Marco Polo aufgesucht worden sein soll.


Eigentlich hatten wir uns ja vorgenommen und alles dazu vorbereitet, den afghanischen Wakhan-Korridor zu besuchen. Die schweren Überschwemmungen im ganzen Wakhan Tal machten eine Zufahrt nach Sarhad-e-Wakhan aber unmöglich. Von Shaymak im südöstlichen Zipfel Tadjikistans gelegen, wäre rein theoretisch eine Fahrt über Kyzylrabot zum Chakmatyn See denkbar gewesen. Wegen der sehr heiklen Grenzregion lag es nahe, darauf zu verzichten.

Ohne die schwer erhältliche staatliche Genehmigung wird man vom Militärcamp bei Kargush nicht weiter zum Zorkul See gelassen, von dem aus eine Fahrspur nach Jarty Gumbaz und Murgab führt. Auch hier mußten wir notgedrungen verzichten und fuhren über den Kargush Pass nach Alichur im Pamir Hochland, wo wir wieder auf den Pamir Highway M41 trafen.


Kargush-Pass
Kurz vor dem Kargush Pass (4.344 m)


Diese Straße hat ihren Namen nicht deswegen, weil es sich um eine Schnellstrasse handeln würde, sondern vielmehr, weil sie überwiegend in Höhen von 3.500 bis 4.600 m verläuft. Sie existiert seit den 30er-Jahren und wurde als Nachschublinie zur Verbindung von Murgab mit Osh gebaut und später bis Khorog verlängert.


nahe Shortulak Observatorium
Lange vermisstes 'Wüsten'feeling auf den weiten Hochflächen südlich des Pamir Highways zwischen Alichur und Murgab


In Murgab angekommen, mußten wir als erstes die Pässe beim OVIR registrieren lassen, wo wir gleich aufgefordert wurden, bei ACTED, einer französischen NGO vorbeizuschauen. Dort erhielte man Empfehlungsschreiben, die für die Erteilung von Genehmigungen durch den KGB zum Besuch der Grenzregionen hilfreich wären. Das jurtenähnliche Haus von ACTED am nördlichen Ortsausgang war verwaist, der KGB meinte, wir bräuchten keine Genehmigungen. So fuhren wir also ungehindert durch die einsame Süd-Ost Ecke Tadjikistans, von Chatyr Tash nach Jarty Gumbaz und zum kleinen Örtchen Shaymak mit seiner bekannten, weißgetünchten Moschee. Eigentlich wollten wir auf dem Weg dorthin dem kleinen Ak Bura Impaktkrater einen Besuch abstatten, konnten ihn aber wegen falscher Koordinaten nicht finden. (Wie wir jetzt wissen, sind die die korrekten Koordinaten wie folgt: 38°5,653'N 74°16,960' E)


Aksu Tal vor Shaymak
Zu dem kleinen Weiler Shaymak, am Fuße des Aktash (5.265 m), hier in Bildmitte, in dieser abgelegenen Ecke im Südosten Tadjikistans gelegen, führt eine strategisch wichtige Strasse, auf der es aber praktisch keinen Privatverkehr gibt. Rein theoretisch wäre es möglich, von Shaymak über Kyzylrabot auf schmalen Wegen in den Wakhan-Korridor zu gelangen oder, viel leichter, auf definierten Fahrwegen über Jarty Gumbaz und den Zorkul See zum Militärlager von Kargush. Die dazu nötigen diversen Genehmigungen sind allerdings für Normaltouristen kaum erhältlich. Am Rande der Berge rechts des Aksu-Flusses liegt, schwer zu finden, der Ak Bura Impakt-Krater. Ganz im Süden vermutlich die letzten Ausläufer des Karakorums nahe des Kundjerab Passes, der von China nach Pakistan führt.


Unterwegs trafen wir auf eine kirgisische Familie, die neben ihrem Motorrad am Wegesrand kauerte. Wie sich herausstellte, hatte das Rad am Beiwagen einen Plattfuß, worauf das Motorrad unlenkbar direkt auf den Böschungsrand des Aksu Flusses zusteuerte und hinunterzustürzen drohte. Keine 20 cm vor dem 10 Meter hohen Abgrund konnte des Gefährt gerade noch zum Stillstand gebracht werden. Die Leute waren natürlich geschockt! Mit vereinten Kräften schoben wir das schwerbeladene Motorrad wieder auf den Fahrweg und brachten den Fahrer mitsamt seinem defekten Rad zurück nach Toktamish, wo es einen Reifenflicker gab. Der Kirgise war uns sehr dankbar für die Hilfe und bot uns zunächst sogar Geld an, um ihn aus seiner Misere zu befreien, denn der tadjikische Fahrer des einzigen Lastwagens der vorbeikam half nicht. Im Gespräch erfuhren wir dann, daß wir es nicht mit einem einfachen Bauern zu tun hatten, sondern mit einem Tierarzt, der vor vielen Jahren in Leningrad promoviert hatte!


Toktamish
Jetzt kann unser krigisischer 'Professor' (Bildmitte, mit schwarzem Hut) wieder lachen! Eine Stunde zuvor hatte er noch Todesängste ausgestanden, als sein Motorradgespann wegen eines Plattfußes zehn Meter tief in den Aksu zu stürzen drohte. Das Rad mit dem platten Reifen wartet hier in Toktamish nicht lange auf fachmännische Reparatur.


Eine weitere Erkundungstour von Murgab aus über eine schreckliche Wellblechpiste nach Rangkul, wo wir uns für die Weiterfahrt nach Osten die Genehmigung beim Militär holten, sollte entlang der chinesischen Grenze nach Süden zur neuen Teerstraße nach China (Kulma Pass) gehen und dann wieder zurück nach Murgab. Daraus wurde nichts, da wir an einem vorgeschobenen Militärlager zurückgewiesen wurden. Der Grund hierfür war einfach: Nachdem die Chinesen den Grenzverlauf mit Tadjikistan um 10 km auf fremdes Gebiet vorverlegt und mit einem martialischen Zaun abgesichert hatten, verläuft der Fahrweg nun abschnittsweise hinter dem Zaun durch jetzt chinesisches Territorium!

Eli Su mit seinen heißen Quellen, in idylischer Berglandschaft westlich Murgab gelegen, sollte unser nächstes Ausflugsziel sein. Wir waren erstaunt, dort so viele Touristen anzutreffen, meist Tadjiken im Urlaub, aber auch Israelis (!), die extra aus Osh per Taxi herangekarrt wurden. Der Grund für den Andrang waren offenbar nicht die heißen Quellen in einer verwahrlosten Steinhütte, vielmehr die Möglichkeit, mit äußerst dubiosen Gestalten Geschäfte zu machen, Geschäfte mit Rauschgift, wie wir vermuteten. Nicht nur wegen dieser unguten Atmosphäre fühlten wir uns in Eli Su äußerst unbehaglich. Dazu hatte auch die sehr agressive Verwalterin des Anwesens von Eli Su beigetragen, die mehrfach ein irres Geld (in Dollar) für die Übernachtung auf einer Wiese nahe des Gehöftes abkassieren wollte. Wir weigerten uns allerdings, mehr als das Übliche zu zahlen und blieben über Nacht, da es schon spät war und eine Rückfahrt nach Murgab nicht mehr in Betracht kam.

Murgab, Ende des 19. Jahrhunderts von den Russen als einsamer 'Pamirsky Post' gegründet, war lange Zeit wichtiger Stützpunkt des Zarenreiches und sollte im 'Great Game' den englischen Gebietsansprüchen entgegentreten. Heute ist es Verwaltungszentrum und eine wichtige Station für den Güterverkehr von Kirgistan nach Khorog und Dushanbe. Seit der Wiedereröffnung der Grenzes zu China am Kulma-Pass hat die Bedeutung Murgabs noch erheblich zugenommen. Tag für Tag ergiest sich ein Strom schwerer chinesischer Sattelschlepper nach Murgab, vollbepackt mit Waren aller Art.

Viel ist in Murgab dennoch nicht geboten. Da wird auf dem Container-Markt Obst und Gemüse aus dem Fergana-Tal in schlechter Qualität angeboten, es gibt Brot und Wasser, und allerei chinesischen Krimskrams. Eine Tankstelle haben wir nicht gesehen. Diesel ist aber bei privaten Händlern erhältlich. Es gibt einige 'Home Stays', die wir nicht in Anspruch nahmen da wir es vorzogen, etwas außerhalb des Ortes, gut versteckt, in der Natur zu übernachten.


Murgab
Kona-Khurgan, östlicher Vorort von Murgab. Von hier führt die Straße nach China


Markt in Murgab
Der Markt wird von der kirgischen Bevölkerung betrieben. Man sieht so gut wie keine Tadjiken hier einkaufen. Dafür ist er beliebter Treffpunkt durchreisender Touristen.


Die Fahrt zur kirgisischen Grenze im Nordosten Tadjikistans führt nach Bewältigung des steilen Ak-Baytal-Passes (4.655 m) über lange Strecken direkt an einem neu errichteten, lückenlosen Zaun entlang, der die vorgeschobene chinesische Grenze markiert. Was die Chinesen mit der Gebietserweiterung in dieser unwirtlichen Gebirgsregionen gewonnen haben, bleibt rätselhaft. Für den Reisenden hat der Zaun den großen Nachteil, daß geeignete Rastplätze jetzt unerreichbar geworden sind und man auf die westliche Seite des Pamir Highways ausweichen muß.



Ak Baytal Pass
Bei eisigen Temperaturen und stürmischem Wind Abfahrt vom Ak-Baytal-Pass. Ganz im Hintergrund der Gipfel des Muzkol (6.128 m), der schon im 'Pamir-Nationalpark' liegt.


chinesischer Grenzzaun Über buchstäblich tausende Kilometer hinweg errichteten die Chinesen einen Grenzzaun, nicht ohne vorher ihr Territorium um durchgängig zehn Kilometer vorgeschoben zu haben. Die Bewohner von Toktamish und Shaymak konnten dieser Grenzbefestigung auch etwas Positives abgewinnen: sie sägten viele Holzpfeiler ab, um sie als Brennholz zu verwenden.


Dort aber wurde von der französischen NGO ACTED ein 'Naturreservat' geschaffen, von dem niemand außer ACTED selbst etwas weiß. Wir wurden von einer Geländewagen-Patroullie dabei 'erwischt' wie wir frech, ohne Eintrittsgebühr zu bezahlen, unser Nachtlager im Naturpark aufgeschlagen hatten, keine 100 Meter von der Magistrale entfernt hinter einem Hügel. Sogleich forderte man mit Nachdruck Strafgebühren in astronimischer Höhe für unser illegales Eindringen in das Reservat. Nirgendwo ein Hinweis, nirgendwo ein Häußchen, wo man Eintrittsgebühren hätte bezahlen können. Die Straße von der kirgisischen Grenze bis praktisch nach Murgab sei die Grenze des Naturparks, jeder der die Straße nach Westen verläßt, muß 'Eintrittsgebühren' zahlen, hieß es. Wir taten das nicht und machten uns schnell aus dem Staub nach Karakol, wo wir bei einbrechender Dunkelheit nur mehr einen Home Stay suchen konnten, um dort die Nacht zu verbringen.

Eli Su war nicht der einzige Ort in Tadjikistan, wo wir den dringenden Verdacht hegten, dem Rauschgiftbusiness nahe zu sein. In jenem Home Stay in Karakol, wo wir die Nacht im Auto in einem umfriedeten kleinen Hof mit anderen einheimischen Fahrzeugen verbrachten, war um 3 Uhr morgens ein nicht endenwollendes Hantieren am Tankeinfüllstutzen eines UAZ Geländewagens aus Osh zu vernehmen. Noch vor Sonnenaufgang verliess das Fahrzeug Karakol in Richtung Kirgistan.

Bei der Ausreise aus Tadjikistan am Kyzyl-Art-Pass wurden wir von einer Spezialtruppe ausgiebigst gefilzt, auf der Suche nach Rauschgift. Wir mußten das ganze Auto ausräumen und die Transportkisten in den tiefen Schlamm stellen. Selbst der Salzstreuer war verdächtig, sein Inhalt daher mit spitzer Zunge geschmacklich geprüft. Da platzte uns aber der Kragen! Wir verlangten den Boß (Natschalnik) dieser üblen Bande zu sprechen, protestierten energischst unter Verweis auf die drei UAZ Jeeps, die in der Zeit, in der wir gefilzt worden waren, unbehelligt die Grenze passieren konnten. Wie korrupt muß man sein, bei uns Touristen schärfstens zu kontrollieren und die eigentlichen, die einheimischen Dealer und Transporteure ungeschoren zu lassen?

Unwetter hatten die steile Bergstrasse hinunter zum neu errichteten kirgisischen Grenzabfertigungsgebäude nachhaltig zerstört. Bis Sary Tash besserte sich der Strassenzustand nicht wesentlich, dann konnte man Hoffnung schöpfen. Die Strasse von Osh nach Sary Tash wird neu gebaut, von Chinesen selbstverständlich, nicht von einheimischen Arbeitslosen, und nach Westen weitergeführt durch das Alau Tal in Richtung Tadjikistan sowie in umgekehrter Richtung nach Irkeshtam, dem internationalen Grenzübergang nach China.


Trans Alai Kette
Aus Kirgistan Blick nach Süden auf die Trans Alai Kette mit Eisgipfeln über 6.600 m Höhe. Hinter den Bergen liegt Tadjikistan und der Pamir. Die Kette setzt sich nach beiden Seiten der Strasse fort. Dreissig Kilometer weiter im Westen hat die Alai Kette mit dem Pik Lenin (7.134 m) ihre höchste Erhebung.



Wir hatten 20 Kilometer vor Sary-Tash einen geschützen Lagerplatz an einem breiten Gebirgsbach gefunden, wo wir ein paar Tage verbringen wollten, um uns zu erholen. Ein- oder zweimal tagsüber querte grußlos ein Lastwagen den Bach, schwer beladen mit Gras. Das störte uns nicht. Wenn aber mitten in der Nacht, wir hatten schon tief geschlafen, kräftig ans Fenster geklopft wird, dann steigt der Blutdruck doch rapide! Zwei kirgisische Gesichter bemühten sich, im Fahrzeuginneren etwas zu erkennen. Sie suchten uns - in der Hoffnung nach Hilfe! Ihr Wolga-PKW war mitten im nächtlich angeschwollenen Bach steckengeblieben und konnte nicht weiter. Für sie war klar, daß wir sie aus dem Fluß, der der Bach jetzt war, herausziehen mußten. Wir sahen keine andere Möglichkeit, als dies zu tun. Ein Abschleppseil hatten die beiden schon parat, das erwartungsgemäß beim ersten sanften Ruck aus der Verankerung riss. Der zweite Versuch gelang und wir konnten weiterschlafen, nicht ohne vorher eine geschlagene Stunde argwöhnisch zu beobachten, wie am Fahrzeug herumgetan wurde, es nicht von der Stelle kam, da es einfach nicht anspringen wollte...


Alau Tal nahe Sary Tash
Eine prachtvolle Szenerie bot sich von unserem Rastplatz am Gebirgsbach. Das Alau-Tal breitete sich im Westen vor uns aus, gesäumt im Süden von der Trans-Alai-Kette mit dem Pik Lenin ganz recht im Bild. Hier hatten wir das nächtliche Erlebnis. Der Bach hat zur Mittagszeit seinen Tiefstand erreicht. In der Nacht jedoch schwillt er zu einem beachtlichen Fluß an!


Das Alau Tal ist eine über 3000 m hoch gelegene grüne Ebene im Süden Kirgistans, 150 km lang und stellenweise bis zu 15 km breit. Es stellt eine natürliche Verbindung von China nach Tadjikistan dar, flankiert von kahlen 4000ern im Norden und den Gletscherbergen des Trans-Alais im Süden, die mit dem Peak Lenin weit über 7000m in den Himmel ragen. Alle historischen Forschungsreisenden, die hier durchkamen, konnten ihrer Begeisterung keine Worte verleihen. Nach Osten hin zerfällt die Ebene immer mehr in eine hügelige Landschaft mit tief eingeschnittenen Tälern. Die derzeit noch zu befahrende Erdstrasse ist stellenweise tief ausgefahren durch die schweren chinesischen Sattelzüge, die sich auf dem Weg nach Tadjikistan und Kirgistan hier durchkämpfen müssen und oft genug liegen bleiben...


Nura, Kirgistan
Im Osten löst sich das Alau Tal in eine hügelige Berglandschaft auf, die von Gebirgsbächen durchschnitten ist. Die chinesische Grenze bei Irkeshtam ist nun nicht mehr weit.



Wie die Reise weitergeht, erfahren Sie hier

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